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Aus: Ausgabe vom 18.12.2025, Seite 5 / Inland
Gesundheitspolitik

Verrammelte Kliniken

Im laufenden Jahr haben bundesweit 13 Krankenhäuser geschlossen. Vor allem öffentliche Grundversorger verschwinden, Privatkonzerne auf Gewinnkurs
Von Ralf Wurzbacher
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Seit 2020 haben bundesweit 101 Häuser mit knapp 12.500 Betten dichtgemacht (Frankfurt am Mai, 3.2.2023)

Wem sein Bein lieb ist, der sollte einen Bogen um deutsche Krankenhäuser machen. Bei arteriellen Verschlusskrankheiten geht die Tendenz seit Jahren dahin, eher früher als gar nicht zu amputieren. Warum? Eine Erhaltungstherapie rentiert sich einfach nicht – für die Betreiber. Der Weg-damit-Trend zeigt sich auch bei den Kliniken selbst. Im Jahr 2025 wurde an bis dato 13 Standorten der Betrieb eingestellt. Es hätte sogar doppelt so schlimm kommen können, wie das von »Gemeingut in BürgerInnenhand« (GiB) getragene »Bündnis Klinikrettung« am Mittwoch im Rahmen einer Videokonferenz bilanzierte. Die vergleichsweise geringe Zahl an Schließungen begründe sich darin, dass 13 von Abwicklung bedrohte Häuser gerettet werden konnten.

Das allerdings sei »kein Grund zur Entwarnung«, stellte Verbandssprecher Rainer Neef klar. 2026 beginnt die von der Ampel initiierte und durch die amtierende Koalition »nachgebesserte« große »Krankenhausreform« zu wirken. Deren Ziel ist der »Abbau von Überkapazitäten«, sprich eine weitere Ausdünnung der Versorgungslandschaft durch Einführung sogenannter Leistungsgruppen. Die Folgen, vor allem der massenhafte Verlust kleinerer Allgemeinkrankenhäuser im ländlichen Raum, würden »erst in den nächsten Jahren voll durchschlagen«, bemerkte Neef. Dabei ist der Aderlass allein der vergangenen sechs Jahre schon gravierend. Seit 2020 haben bundesweit 101 Häuser mit knapp 12.500 Betten dichtgemacht, in den zurückliegenden vier Jahrzehnten brach im gesamtdeutschen Maßstab fast ein Viertel der Kapazitäten weg. Von einst 2.362 Kliniken sind heute kaum mehr 1.800 übrig.

Ein gestern präsentiertes Hintergrundpapier der »Klinikretter« zeichnet die Entwicklung nach. Die fatale Zäsur geht demnach auf das Jahr 1985 zurück: Mit dem damals erlassenen Gesetz zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung (KHNG) hielt das Markt- und Konkurrenzprinzip Einzug in den Kliniksektor. Von da an war es Betreibern erlaubt, Gewinne und Verluste zu erwirtschaften, was den Beutezug der Privatkonzerne einläutete. Heute sind sie mit einem Anteil von 40 Prozent der dominante Player auf dem Markt, den Rest teilen sich öffentliche Träger mit 28,5 Prozent und freigemeinnützige mit 31,5 Prozent. Andererseits halten die staatlichen und halbstaatlichen Akteure über 80 Prozent der Betten vor, die Privaten gerade einmal 19 Prozent. Erstere betätigen sich überwiegend in der Allgemein- und Notfallversorgung, während sich letztere auf planbare Spezialbehandlungen in Fachkliniken spezialisieren. Vereinfacht ausgedrückt: Die Öffentlichen und Gemeinnützigen besorgen die Daseinsvorsorge, die Konzerne picken sich die Rosinen heraus.

Das ungleiche Duell spiegelt sich in der Finanzsituation wider. 83 Prozent der Kommerziellen generieren Überschüsse, wohingegen die Öffentlichen zu 89 Prozent Verluste auftürmen, Freigemeinnützige immerhin zu 68 Prozent. Klar, dass das anhaltende Kliniksterben vor allem staatliche und halbstaatliche Hospitäler betrifft, und damit die für die Allgemeinheit nötigsten Strukturen der Grundversorgung wegbrechen. Beispielhaft zeigt sich das am massiven Schwund von Notaufnahmen und Geburtskliniken, beides Bereiche mit geringer Kalkulierbarkeit. Und weil intensive Betreuung die Kosten hochtreibt, werden heute immer mehr Kaiserschnitte vorgenommen.

»Kliniken wurden mit dem KHNG zum Geschäfts- und Anlagemodell«, befand GiB-Geschäftsführerin Laura Valentukeviciute. »Der gegenwärtige Reformprozess stoppt den Niedergang in keiner Weise.« Tatsächlich liegen nach ihrer Darstellung für 2026 und 2027 bereits 25 Schließungsbeschlüsse vor. Allein damit könnten weitere 100.000 Personen das dann nächstgelegene Krankenhaus nicht mehr innerhalb einer halben Stunde Fahrzeit erreichen. Im Fall der in diesem Jahr verrammelten Kliniken wurden fast 64.000 Menschen von einer wohnortnahen Versorgung abgeschnitten. Nach gut 40 Jahren sei es geboten, ehrlich Bilanz zu ziehen und die fälligen Schlüsse abzuleiten, bekräftigte die Aktivistin. »Abfließende und nicht gedeckelte Gewinne von bis zu 15 Prozent machen den Betrieb teuer, die Abschaffung der Renditen ist überfällig.« Ansage an Helios, Asklepios und Co.: Bitte bereitmachen zur Amputation!

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