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Aus: Ausgabe vom 18.12.2025, Seite 4 / Inland
Kriegspolitik

Zurück auf der Bühne

Regierungserklärung: Merz feiert sich für »Diplomatie« und verlangt Einziehung russischen Staatsvermögens in der EU
Von Kristian Stemmler
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Mit eingezogenen russischen Milliarden die ukrainische Armee finanzieren – das will Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit minütlich sich steigernder Entschlossenheit beim Europäischen Rat am Donnerstag durchsetzen. Vor seiner Abreise nach Brüssel trommelte Merz am Mittwoch nachmittag im Bundestag in einer Regierungserklärung erneut für sein Vorhaben: Das auf belgischen Konten eingefrorene Vermögen Russlands soll für die Unterstützung der Ukraine genutzt werden. Weitere Sanktionen gegen Russland reichten nicht aus, erklärte der Kanzler. Mit dem Zugriff auf das russische Vermögen müsse der Druck auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin erhöht werden.

Es gehe dabei »um nicht mehr und nicht weniger als die europäische Sicherheit«. Russland setze den »Angriffskrieg« auf die Ukraine »mit unverminderter Härte« fort. Es strebe danach, seine Einflusszone »weit über das eigene Staatsgebiet« hinaus zu erweitern. Merz sprach von 90 Milliarden Euro des russischen Vermögens, die für Kredite an die Ukraine genutzt werden sollten. Mit diesem Betrag könne die ukrainische Armee für weitere zwei Jahre finanziert werden. Die Sicherheit Europas sei »untrennbar« mit dem Schicksal der Ukraine verbunden.

Es gehe nicht darum, den Krieg zu verlängern, sondern darum, ihn »so schnell wie möglich zu beenden«. Er werde »keinen Zweifel daran lassen«, dass er die »feste Absicht« habe, die Ukraine dauerhaft zu unterstützen, »solange, wie das nötig ist«, erklärte der Kanzler. So müsse klargestellt werden, dass die »gewalttätigen Verschiebungen von Grenzen in Europa« nicht akzeptiert würden. »Mehr Diplomatie« als in den vergangenen Tagen, so Merz mit Blick auf die jüngsten Gespräche ohne russische Vertreter in Berlin, gehe »nicht mehr«.

Hintergrund des Vorstoßes von Merz ist der Umstand, dass die Ukraine nicht mehr auf finanzielle Hilfe aus den USA zählen kann und jetzt auf die EU angewiesen ist. Von ihr will sie ab Frühjahr 2026 frisches Geld. Das erhöht in der EU den Appetit auf die russischen Milliarden. Doch es gibt erhebliche rechtliche und politische Bedenken – insbesondere in Belgien, wo rund 185 Milliarden Euro der russischen Staatsbank von der Clearinggesellschaft Euroclear verwaltet werden.

Beim letzten Gipfel im Oktober kam es wegen des Widerstands des belgischen Ministerpräsidenten Bart De Wever nicht zur Einigung. »Wir werden keine Risiken eingehen, die Hunderte Milliarden Euro auf Belgiens Schultern laden könnten. Heute nicht, morgen nicht, niemals«, erklärte De Wever Anfang Dezember in einem Rundfunkinterview. Das Ansinnen der EU-Kommission komme einer Enteignung gleich, die gegen internationales Recht verstoße. Daraufhin eilte Merz nach Brüssel, um den belgischen Regierungschef zu bearbeiten. Ergebnis vorläufig offen.

Auch Merz gab sich lange zögerlich, ob die eingefrorenen Milliarden angetastet werden sollen, setzte sich dann aber Ende September an die Spitze der Befürworter. Im Bundestag sagte er am Mittwoch, er nehme die Bedenken des belgischen Ministerpräsidenten ernst. Er habe aber keinen Zweifel, dass die Verwendung des russischen Vermögens für die Ukraine »in völliger Übereinstimmung« mit dem Völkerrecht und internationalen Bestimmungen steht.

Merz lobte die Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine, die in den vergangenen Tagen in Berlin stattgefunden hatten. Deutschland sei »zurück auf der internationalen Bühne«. In einer Zeit »tiefer Erschütterung« wolle er nicht zulassen, dass Deutschland »zu einem Spielball der Großmächte werde«. Dass es dazu nicht komme, dafür hätten die zusätzlichen Milliarden für die Bundeswehr gesorgt.

Die Frage, ob deutsche Soldaten beteiligt wären, falls eine europäische Truppe einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine überwachen sollte, ließ er offen. Man spreche über Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach einem Waffenstillstand, der mit Russland vereinbart werden müsse. Solange er mitsprechen könne, werde man die Fehler des Jahres 2014 – mit dem damaligen Minsker Abkommen – nicht wiederholen, »die Ukraine ohne Sicherheitsgarantien weiter dem Zugriff von Russland ausgesetzt zu sehen«.

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