Warum werden Geflüchtete hier zentral untergebracht?
Interview: Hendrik Pachinger
Es war ein langes Tauziehen zwischen bayerischer Landesregierung und der Stadt Bamberg. Nun ist im Grunde klar: Auch 2026 werden Geflüchtete nicht dezentral, sondern im sogenannten »Anker«-Zentrum untergebracht. Am Freitag muss das der zuständige Ausschuss final absegnen, was aber als Formsache gilt. Was sind diese Zentren genau?
In Bayern wurden »Anker«-Zentren im Sommer 2018 eingeführt. »Anker« steht für Ankunft, Entscheidung und Rückführung. Damals hatte sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgenommen, Asylverfahren zu beschleunigen. In »Anker«-Zentren werden die Menschen für die ersten sechs bis 18 Monate untergebracht, alle zuständigen Behörden sind dort ebenfalls ansässig, um bei Ablehnung des Asylgesuchs die Ausreise zu beschleunigen. Auch sollten die Menschen immer für die Behörden und die Polizei auffindbar sein.
Nach einer Nutzungszeit von zehn Jahren lief der ursprüngliche Mietvertrag aus und eine neue Vereinbarung wurde notwendig. Worauf wurde sich geeinigt?
Darauf, dass die ehemalige Kaserne, die der Bund dem Freistaat zur Verfügung gestellt hatte, mangels Alternativen weiterhin befristet als zentrale Unterkunft genutzt werden soll. Konzepte zur dezentralen Unterbringung Geflüchteter wurden in den vergangenen zehn Jahren nicht entwickelt und seien zu teuer.
Nach ehemals lautstarker Kritik aus der Stadtverwaltung wird die Einigung nun als guter Kompromiss zwischen den Interessen des Landes und der Anwohner verkauft. Woher dieser Sinneswandel?
Die Stadt Bamberg hat vom Freistaat einige wichtige Zugeständnisse bekommen. So sollen das Stadionbad und das Fuchsparkstadion saniert sowie Geh- und Radwege geschaffen werden. Ebenso darf die Stadt das Areal ankaufen.
Diverse Akteure kritisieren seit Jahren das Konzept »Anker«-Zentrum. Was ist Ihre Kritik daran?
Durch die Schaffung von Lagern, an denen mehrere hundert Personen auf engstem Raum sind, entstehen zahlreiche strukturelle Probleme. Bei »Anker«-Zentren geht es nicht um Integration. So wurde Ehrenamtlichen im oberbayrischen Manching der Zutritt verboten oder sehr eingeschränkt. Ebenso werden dort jahrgangsübergreifende Schulklassen eingerichtet, in denen schulpflichtige Kinder unterrichtet werden, statt sie in regulären Schulen anzumelden. Die Kinder werden also oft über Monate in Lagerschulen unterrichtet und damit von der Gesellschaft isoliert. Sie erhalten auch nicht die Bildung, die ihnen altersgerecht zusteht.
Auch ist immer wieder Security- und Polizeigewalt Thema. Es kam in nahezu allen bayerischen »Anker«-Zentren zu Übergriffen. Ebenso kritisieren wir die lange Verweildauer im Lager, die über die gesetzlichen Regelungen hinausgeht. Häufig ist die Bewegungsfreiheit enorm eingeschränkt und ähnelt eher einer Haftsituation.
Dies ist auch einer der zentralen Kritikpunkte an der kürzlichen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, kurz GEAS.
Das bestehende Modell wird weiter verschärft und auf EU-Ebene festgeschrieben. Was in Bayern erprobt wurde, dient nun als Blaupause. Ziel ist es, Verfahren zu beschleunigen, Menschen von Beratung und unterstützenden Strukturen fernzuhalten und Abschiebungen zu erleichtern – auf Kosten von Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde.
Wie stellen Sie sich eine menschenwürdige Geflüchtetenpolitik in der Stadt und im Regierungsbezirk vor?
Zunächst ist die Abschaffung der Lagerpflicht wichtig. Menschen sollen privat wohnen dürfen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Das würde die Kommunen entlasten und ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Damit einhergehend wäre die Abschaffung von Arbeitsverboten nötig, um die Mieten bezahlen zu können. Wer die Möglichkeit nicht hat, sollte dezentral untergebracht werden. Außerdem braucht es Gewaltschutzkonzepte, die in der Praxis auch umgesetzt werden. Kinder und Jugendliche sollen reguläre Schulen besuchen, sobald sie hier einen regulären Wohnsitz haben, spätestens nach drei Monaten in Deutschland. Ebenso muss der komplette Leistungsausschluss abgeschafft werden, der aus einer Anerkennung als Geflüchteter in einem anderen EU-Land folgt. Betroffene werden dann der Unterkunft verwiesen und bewusst in Obdachlosigkeit und Armut gebracht.
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