Freiem Radio droht Funkstille
Von Barbara Eder
Ein Medium gilt erst dann als demokratisch, wenn seine Empfänger jederzeit zu Sendern werden können – diesen Gedanken formulierte Hans Magnus Enzensberger Anfang der 70er Jahre im Rahmen seiner Medientheorie. Das Wiener Communityradio Orange 94.0 arbeitet seit nahezu vier Jahrzehnten nach diesem Prinzip: mit offenem Zugang für alle Sendungsmacher, redaktioneller Selbstverwaltung und einer quellenoffenen technischen Infrastruktur. Seit Abschluss der Budgetverhandlungen der Stadt Wien ist der Fortbestand des Senders allerdings gefährdet. Sollte bis Jahresende 2026 keine alternative Finanzierung gefunden werden, muss der Betrieb 2027 eingestellt werden.
Zuständig für die Kürzungen ist die Wiener Bildungsstadträtin und Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling (Neos, die liberale Partei Österreichs), deren Ressort die jährliche Förderung von Orange 94.0 von bisher rund 390.000 Euro auf ein Übergangsbudget von 170.000 Euro für 2026 reduziert hat und sie für 2027 vollständig streichen will. Ohne städtische Zuschüsse bricht auch die notwendige Kofinanzierung weg: Finanzielle Mittel aus dem »Nichtkommerziellen Rundfunkfonds« können nicht länger herangezogen werden – ein Szenario, das der Sender als »kaskadenartig« bezeichnet.
Bislang beschäftigte der Sender 14 Teilzeitangestellte, die rund 850 ehrenamtliche Radiomachende koordinierten und den technischen Betrieb sicherstellten. Laut Auskunft von Geschäftsführerin Ulli Weish sind sie alle, mit Ausnahme der Betriebsrätin, zum 17. Dezember zur Kündigung angemeldet. Dass ausgerechnet ein Beteiligungsmedium, das als demokratiepolitisch relevant gilt, teilweise aus dem Bildungshaushalt gestrichen wurde, begründet die Stadt mit einer allgemeinen »Budgetanspannung«. Kommuniziert wurden die Kürzungen seitens des städtischen Ministeriums für Bildung und Jugend, welches auch für »Transparenz und Märkte« zuständig ist, erst Mitte November – mit Verweis auf die Umwandlung der Organisationsform, etwa in eine GmbH. Der Vereinsstatus des Radios sei ein »strukturelles Hindernis«.
Bei der Pressekonferenz zum Thema »Die Zukunft von Orange 94.0? Communityradio zwischen Vermittlung von Medienkompetenz und Existenzangst« am 5. Dezember im Presseclub Concordia betonte Geschäftsführerin Weish, dass freie Radios in Zeiten wachsender Desinformation und KI-generierter Inhalte einen Auftrag erfüllten, den klassische Medienhäuser nicht abdecken könnten. »Als Beteiligungsmedium ist Medienbildung und die Vermittlung von aktiver Medienkompetenz einer unserer Kernbereiche. Dass die Stadträtin uns nicht mehr im Bildungsbereich sieht, überrascht und erstaunt uns«, erklärte sie und warnte davor, nichtkommerzielle Sender in Firmen umwandeln zu wollen. Simon Inou, Journalist und Mitbegründer von Radio Afrika International, hob die Rolle von Orange 94.0 als Stimme gegen Rassismus und für gelebte Diversität hervor. Er wies darauf hin, dass Wien weiterhin Milliardenprojekte – etwa im Bereich der Verkehrsinfrastruktur rund um den umstrittenen Lobautunnel – finanzieren wolle, während niedrigschwellige Medienarbeit erheblich unter Druck gerate.
Helga Schwarzwald vom Verband »Freier Rundfunk Österreich« hob in ihrem Statement die technischen Innovationen hervor, die in Zusammenarbeit mit dem Wiener Radiosender entstanden sind: Die Idee zum CBA-Sendungsarchiv, das gemeinsam mit den Nachrichtenagenturen dpa und APA am europaweiten Medienprojekt »Trusted European Media Data Space« (TEMS), welches die Verfügbarkeit von essentiellen digitalen Werkzeugen für Medienschaffende sicherstellen soll, beteiligt ist, wurde ebenso im Umfeld des Wiener Communityradios entwickelt wie die Radioredaktionssoftware »Aura«, die allen freien Radios zur Verfügung stehe. Beide Projekte würden eine Vorreiterfunktion in puncto Datenschutz und dem Ziel maximaler Unabhängigkeit von US-amerikanischen IT-Konzernen einnehmen. All das droht nun verloren zu gehen – und damit ein Stück selbstorganisierter Medienarbeit, die in einer SPÖ-regierten Stadt doch eigentlich keine Ausnahme sein sollte.
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