Mit Union Jack in den Dünen
Von Marc Bebenroth
Die Botschaft ist klar: Britische Patrioten hindern nichtweiße »Invasoren« daran, den Ärmelkanal zu überqueren und illegal englischen Boden zu betreten. Doch hinter der Gruppe »Raise The Colours« (etwa: »Hisst die Flagge«) steckt weniger eine »patriotische Graswurzelbewegung«, wie es auf der Internetseite heißt, sondern dubiose Geschäftemacher mit einem Sinn für Selbstinszenierung. Am Freitag haben drei Mitglieder der Gruppe an der französischen Kanalküste einmal mehr so getan, als ob sie »die Boote stoppen«, wie die französische Zeitung Le Monde am Sonntag berichtete.
Am Freitag konnten mehr als 150.000 Onlinefans offenbar live dabei zusehen, wie die Männer sich in Dunkerque bewegten. Die Gruppe filmte sich laut Le Monde fast ununterbrochen und behelligte dabei auch Mediziner der internationalen Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen). Zuvor sollen die drei britischen Nationalisten am Strand von Gravelines Journalisten beleidigt haben, die sie für Mitglieder der Hilfsorganisation »Utopia 56« hielten. Diese seien die wahren »Schlepper« und die Migranten würden in England Morde begehen. Am 29. November hatte die Gruppe die »Operation Overlord« ausgerufen und damit ihr Vorhaben, »alle illegalen Migrantencamps in Frankreich« aufzudecken, in die Tradition der Invasion in der Normandie durch britische, kanadische und US-amerikanische Truppen am 6. Juni 1944 gestellt.
Eine Sprecherin des britischen Ablegers von Ärzte ohne Grenzen verwies am Montag auf Anfrage von junge Welt auf eine Mitteilung vom Freitag. Darin heißt es, die extrem rechte Gruppe habe »unser Team angegriffen, als es von einer Patrouille entlang der Küste von Gran-Fort-Philippe zurückkehrte«. Die Mission sei Teil der anhaltenden Bemühungen gewesen, Überlebenden gescheiterter Überfahrtversuche zu helfen. Derlei Einschüchterungsversuche seien Teil eines »besorgniserregenden Trends der Straflosigkeit und der Aufstachlung zu Hass und Gewalt gegen Menschen auf der Flucht und die humanitären Organisationen, die ihnen helfen«. »Médecins Sans Frontières wird seine Arbeit im Feld mit derselben Entschlossenheit fortsetzen und wird angesichts der Einschüchterung durch extrem rechte Gruppen nicht nachgeben.«
Nach eigenen Angaben sind Freiwillige von Ärzte ohne Grenzen seit April 2023 in Calais im Einsatz. Mit der Organisation »Utopia 56« arbeite man seit Frühling 2025 für sogenannte Outreach-Patrouillen entlang der nordfranzösischen Küste zusammen, um Schiffbrüchigen zu helfen, teilte die Sprecherin gegenüber jW mit. Dabei habe man mindestens 1.824 Menschen angetroffen, davon »mindestens 209 Frauen, 121 Kinder mit ihren Familien und 18 unbegleitete Minderjährige«.
Dem Bericht von Le Monde zufolge hatte Anfang Oktober die Staatsanwaltschaft in Dunkerque bekanntgegeben, dass sie eine Voruntersuchung gegen die rechten Influencer wegen »schwerer Gewalt« einleiten werde. De facto stört sich aber weder die französische noch die britische Staatsmacht an den »Patrioten«. Schließlich patrouillieren amtliche Kleinboote im Kanal mit dem Ziel, Bootsflüchtlinge auf dem Wasser an der Überfahrt zu hindern. So offenbar auch am vergangenen Freitag entlang der Küste von Gravelines.
»Raise The Colours« leiste »großartige Arbeit«, freute sich die Gruppe am Montag auf der Plattform X über die Berichterstattung von Le Monde. Sie störte sich lediglich an dem Label »extrem rechts«. Das ist nämlich schlecht fürs Geschäft. Hinter der nationalistisch-idealistischen Fassade verbergen sich mit Ryan Bridge und Elliott Stanley zwei erfahrene Kleinkapitalisten. So sei gegen Bridge von der spanischen Polizei bereits wegen Trickbetrugs an Hotelbetreibern mit fingierten Entschädigungsansprüchen von Urlaubern ermittelt worden, wie The Dispatch aus Birmingham am 3. Oktober berichtete. Stanley betreibe derzeit ein Sonnenstudio und habe in der Vergangenheit sein Geld mit dem Verkauf und der Vermietung von Sexpuppen verdient, wie The i Paper am 28. November berichtete. Allerdings behauptet laut The Dispatch ein ehemaliger Leibwächter des britischen Faschisten Tommy Robinson, der wahre Gründer von »Raise The Colours« zu sein, weshalb er auf eigene Faust Spenden für das Projekt einsammle.
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