Armutsfalle Wohnen
Von Oliver Rast
Er wird immer mehr zum Luxusgut: Wohnraum. Bezahlbarer sowieso. Auch für die, die ackern gehen, sich im Tagestakt krumm machen müssen, um über die Runden zu kommen. Denn: Mieten fressen Einkommen auf. Unter diesem Titel veröffentlichte der Paritätische Gesamtverband am Dienstag einen Bericht zu Wohnarmut in Deutschland.
Die Expertise belegt: 5,4 Millionen Menschen mehr sind armutsgefährdet, wenn Warmmiete und Strom einbezogen werden. Nicht 13 Millionen, sondern 18,4 Millionen Personen gelten als arm. Das entspricht 22,3 Prozent der Bevölkerung. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 21,2 Prozent. Fazit: »Das eigene Zuhause wird immer stärker zur Armutsfalle«, wurde Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, gleichentags in einer Stellungnahme zitiert. Der Trend sei nicht neu, verstetige sich gefährlich. Eine Abwärtsspirale, »an deren Ende immer öfter die Wohnungslosigkeit steht«.
Aber: Nicht alle sind gleichermaßen betroffen. Junge Erwachsene trifft es am härtesten, gefolgt von Alleinerziehenden und Älteren ab 65 Jahren. Fast jeder Dritte von ihnen kennt Wohnarmut.
Befunde, die Rainer Balcerowiak am Dienstag gegenüber jW bestätigt. Die katastrophale Lage auf dem Mietwohnungsmarkt sei einer der zentralen Armutstreiber hierzulande, so der Pressesprecher der Berliner Mietergemeinschaft. Dringend notwendig wären »durchgreifende Mietenregulierungen in Gebieten mit angespannter Wohnungsmarktlage und ein ambitioniertes Wohnungsbauprogramm für dauerhaft preis- und belegungsgebundene Wohnungen in öffentlicher Trägerschaft«. Und nicht zuletzt sei die Vergesellschaftung von großen Beständen profitorientierter Immobilienkonzerne, wie in Berlin, eine Option.
Davon hält der Kommunikationsleiter des Immobilienverbands Deutschland, Stephen Paul, auf jW-Nachfrage nichts, aber auch überhaupt nichts. Weitere mietrechtliche Regeln würden die Situation nur verschärfen. Weil? Ja, weil vor allem private Kleinvermieter, die den Großteil des Wohnraums bereitstellten, in Mitleidenschaft gezogen wären. »Gerade sie sind es jedoch, die mit Mietanpassungen sehr zurückhaltend umgehen.« Ihr Interesse gelte stabilen, verlässlichen Mietverhältnissen.
Das sieht Matthias zu Eicken ähnlich. Regulierungsinstrumente aus der Mottenkiste, »wie die Mietpreisbremse senkt langfristig nicht die Mieten, noch die dahinterstehenden und steigenden Kosten, aber sie reduziert Neubau, Modernisierung und Mietermobilität«, meinte der Leiter Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik von Haus & Grund Deutschland zu jW. Und: Wohnen bleibe im Bundesdurchschnitt bezahlbar. Herausfordernd seien nicht »flächendeckend explodierende Mieten«, sondern regional angespannte Märkte mit besonders belasteten einkommensschwachen sozialen Gruppen.
Wie reagiert das Bundesbauministerium auf Wohnarmut? Ausweichend. Der Bund investiere bis 2029 rund 23,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau, sagte ein Sprecher gegenüber jW. »Eine Rekordsumme« sei das. Katalin Gennburg (Die Linke) kontert. »Die Bundesregierung könnte jetzt durch einen Mietendeckel mehrere Millionen Menschen entlasten, statt Investoren am Bedarf vorbei bauen zu lassen«, betonte die baupolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion gegenüber jW.
Und Rock vom Paritätischen bekräftigte, das »schwarz-rote« Bundeskabinett müsse Mietwucher und Renditestreben zu Lasten breiter Bevölkerungskreise endlich wirksam begrenzen. Passiert das nicht – passiert das: Arme Mieter verarmen weiter.
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