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Noch mehr Bumsfallera

Von Pierre Deason-Tomory
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»Der Staat fordert Leistung. Bald wird er mit Entlassung drohen.« – Heiner Müller, 1989

Weil etwas nicht funktioniert, wird reformiert, indem man das, was nicht kaputt ist, ruiniert: Die ARD hat Ende November mitgeteilt, wie sie schrittweise den Reformstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk umsetzen wird, der am 1. Dezember in Kraft getreten ist. Der Radiobereich kurz zusammengefasst: Der Verbund will nur wenig ändern, und beibehalten wird der Kurs in die falsche Richtung. Das Verdikt der Landesregierungen, die Zahl der ARD-Radios in der Luft auf 53 zu begrenzen, wird auf dem Papier umgesetzt, faktisch jedoch unterlaufen. Die zu Dudelsendern degenerierten Servicewellen bleiben erhalten, HR, SR und SWR legen ihre Info- und Jugendradios zusammen, ansonsten werden Spartenprogramme, die bisher auf DAB plus funkten, gestrichen oder ins Internet verlagert.

Den drei Schlagerwellen von BR, MDR und NDR wird nicht der Gnadentod gewährt, sondern eine eigene »Schlagerwelt« in der ARD-Audiothek mit noch mehr Bumsfallera. Ergebnis der Reform ist also nicht die Konzentration auf das Wichtige, das der private Sektor nicht machen will und kann (Hintergrund, Regionales, Kultur), sondern noch mehr Geschrei- und Dummfunk. Die relevanten Veränderungen beim ARD-Radio finden woanders statt, schleichend wird schon länger das knappe Dutzend Kulturprogramme »durchhörbar« gemacht, also glattgebügelt. Der Mitteldeutsche Rundfunk zeigt, wo es hingeht: So wie MDR Kultur klingt öffentlich-rechtlicher Hörfunk, bevor er abgeschafft wird, weil ihn niemand mehr braucht.

Erster Programmvorschlag für die nächsten sieben Tage kommt vom Freien Radio Corax, »Ground Zero« startet mit »Drobs über Drugchecking« eine Reihe über die Drogenhilfe in der Narcometropole Halle (Saale) (Di., 14 Uhr). Über miese Geschäfte mit psychischen Erkrankungen berichtet die »Deep Doku«-Ausgabe »Tik Tok statt Therapie« (RBB 2025, Mi., 19.05 Uhr, Radio 3). In den »Querköpfen« wird eine Querköpfin gefeiert, die »Alles für den einmaligen Augenblick« gibt: Gisela Oechelhäuser (Mi., 21.05 Uhr, DLF). Im »Ö 1-Essay« liest Michael Köppel Neues vom umherdenkenden Kulturwissenschaftler Wolfgang Müller-Funk, »Grenzen – Ein Versuch über den Menschen« (Fr., 11.05). Grenzenlos deppert glotzen die »Gesichter Europas« in der Reportage »Orbáns Paradies – Deutsche Auswanderer in Ungarn« (DLF 2025, 11.05 Uhr, DLF).

Am Samstag abend hört sich der Rundfunkteilnehmer – man hat’s schließlich bezahlt – drei italienische Opern gleichzeitig an: Puccinis »La Bohème«, aufgezeichnet am 6. Dezember in der MET (19.05, DLF Kultur), Donizettis »Dalinda«, mitgeschnitten im September in Amsterdam (19.30 Uhr, Ö 1), und Verdis »Otello« vom 2. Oktober im Teatro Real in Madrid (Sa., 20.03 Uhr, BR Klassik, HR 2 Kultur, Radio 3, SR Kultur, SWR Kultur). Echte Checker mischen in den Opernbrei noch das Stück »100 Fragen an Heiner Müller – eine Séance« von Thomas Oberender und Moritz von Uslar, die darin eine Kontaktaufnahme versuchten mit dem vor dreißig Jahren Verstummten (SRF 2008, Sa., 20 Uhr, SRF 2 Kultur).

Ein schönes Orchesterhörspiel hat die »Mikado«-Redaktion hervorgekramt, »Der Prinz und der Betteljunge« nach Mark Twain (NDR 2016, So., 7.05 Uhr, NDR Kultur). Mehr Oper, live Unter den Linden, ohne Mamma mia und Müller: Zum hundertsten Jahrestag der Uraufführung gibt die Berliner Staatsoper Alban Bergs »Wozzek« (So., 18.05 Uhr, Radio 3). Und am Montag liest Philipp Hauß Erzählungen aus dem erst im Sommer auf Deutsch erschienenen Band »Apfelschimmel« des wundersamen Pawel Jakowlewitsch Salzman (11.05 Uhr, Ö 1).

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