Freundschaft mit Flecken
Von Reinhard Lauterbach
Ein paar Tage vor Wladimir Putins Ankunft in Indien am vergangenen Donnerstag hatten mehrere in Delhi akkreditierte europäische Botschafter, darunter auch der deutsche, einen gemeinsamen Beitrag in einer indischen Tageszeitung plaziert. Der Inhalt war wenig überraschend: Er sollte in einem Land, das ziemlich entspannte Beziehungen zu Russland unterhält, den westlichen Standpunkt zum Krieg in der Ukraine unterstreichen.
Doch ob sich die Briefschreiber bzw. ihre Ministerien damit einen Gefallen getan haben? Wie die Süddeutsche Zeitung bemerkte, wirkte der Artikel wie ein Belehrungsversuch gegenüber Indien und kam entsprechend schlecht an. Der Empfang für Putin durch seinen Gastgeber Narendra Modi schien um so herzlicher: Indiens Premier nannte den Amtskollegen seinen »Freund«. Beide Seiten vereinbarten, ihren gegenseitigen Handel bis 2030 um etwa 50 Prozent zu steigern, von jetzt 68 Milliarden US-Dollar auf bis zu 100 Milliarden.
Soweit, so gut. Doch in der Praxis steht ein wichtiges Element dieses russisch-indischen Handels unter Sanktionsdruck. Indische Raffinerien haben wegen US-amerikanischer Drohungen und Strafzölle ihren Bezug russischen Rohöls offenbar deutlich reduziert. Makroökonomisch trägt dies dazu bei, das aus Sicht Delhis unerfreuliche Handelsdefizit mit Russland zu reduzieren. Denn von den genannten 68 Milliarden US-Dollar Handelsvolumen entfallen nur fünf Milliarden auf indische Lieferungen nach Russland. Der Rest sind Öl, andere Rohstoffe und Waffensysteme, die Russland an Indien liefert.
Der Waffenhandel ist ein heikles Geschäft. Russland hat zugesagt, Indien hochmoderne Flugabwehrsysteme des Typs S-400 zu liefern, ist mit dieser Lieferung aber seit zwei Jahren im Verzug. Es gibt verschiedene Erklärungen hierfür. Eine ist, dass Indien seinen Handel mit Russland nicht mehr in US-Dollar abwickeln kann und wegen seines hohen Handelsdefizits mit Moskau nicht genug Rubel in der Kasse seiner Zentralbank hat, um die teuren Rüstungssysteme zu erwerben. Russland hingegen habe – entgegen seiner Bekenntnisse zum Handel in nationalen Währungen – nur begrenztes Interesse an indischen Rupien, denn was sollte es dafür einkaufen? Dass eine Erhöhung der russischen Importe von Kartoffeln und Granatäpfeln aus Indien angekündigt wurde, dürfte sich kaum wesentlich auf die Bilanz beider Staaten auswirken.
Andererseits will sich Moskau insbesondere den Zugang zum indischen Militärmarkt erhalten. Es hat dem Land eine Lizenzproduktion des modernen Tarnkappenjagdbombers SU-57 einschließlich vollständigem Technologietransfer angeboten. Aber in der Abschlusserklärung des Putin-Modi-Gipfels war davon keine Rede mehr. Indien war schon zu sowjetischen Zeiten einer der wichtigsten Kunden russischer Waffensysteme außerhalb des sozialistischen Lagers. Ein Beitrag der »Tagesschau« von vergangener Woche zitierte einen indischen Professor mit der Erinnerung daran, dass Indien einen seiner Kriege mit Pakistan genau wegen überlegener sowjetischer Waffensysteme gewonnen habe. Die Erinnerung hieran sei in der indischen Gesellschaft bis heute lebendig. Ebenso die daran, dass die Sowjetunion Indien auf seinem Weg in die Unabhängigkeit politisch und danach auch wirtschaftlich unterstützt hatte.
Der Anteil russischer Waffensysteme bei der indischen Armee ist zuletzt trotzdem stark gesunken. Ist der Bestand der indischen Armee noch zu etwa 60 Prozent sowjetisch-russischer Herkunft, so ist der Anteil russischer Neulieferungen laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI zuletzt auf nur noch 36 Prozent gesunken. Sicher auch, weil Indien dank technologischer Fortschritte immer mehr Waffen im eigenen Land produziert. Der Rückgang zeigt, dass Indien versucht, sich nicht von einem Partner abhängig zu machen.
In der Ukraine wurde der Putin-Besuch in Indien aufmerksam beobachtet – und mit Besorgnis kommentiert. Das Internetportal Glavred warf dem Westen vor, er müsse sich um Indien bemühen und ihm Angebote machen. Nur Sanktionen und Drohungen würden nichts ausrichten. Auf diese Weise könne der Westen Indien schneller »verlieren«, als ihm lieb sei.
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