Bankrott im Akkord
Von Ralf Wurzbacher
Entdecke die Möglichkeiten! Oder des einen Leid ist des anderen Geschäftsmodell. Während in Deutschland Unternehmen im Dauertakt in die Brüche gehen, zählt Pleiteticker.info eifrig mit. Allein für die erste Dezemberwoche listete das Webportal 13 Fälle hierzulande auf – eine unvollständige Liste. Der Fokus liege auf »relevanten« Meldungen, schreiben die Macher, »nicht auf detaillierter Einzelfallanalyse«. Da kämen sie auch nicht mehr mit. Noch vor drei Wochen hatte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) die Latte auf 22.000 Insolvenzen für 2025 gelegt. Das reicht wohl nicht. Nach einer am Montag präsentierten Hochrechnung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform werden im Jahresverlauf voraussichtlich 23.900 Firmen in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht sein. Mit einem Anstieg um 8,3 Prozent gegenüber 2024 markiere das den »höchsten Stand« seit mehr als einem Jahrzehnt – wieder einmal.
Die jüngsten Beispiele: Beim Werkzeugbau Laichingen in Baden-Württemberg gehen am 31. Dezember nach 125 Jahren die Lichter aus und 100 Arbeitsplätze verloren. Der Autozulieferer Meteor aus Bockenem in Niedersachsen mit 350 Beschäftigten hat wegen der finanziellen Schieflage der US-Konzernmutter First Brands Insolvenz angemeldet. Dasselbe gilt für zwei in Osnabrück ansässige Gesellschaften des Maschinenbauers Avermann, der in der Betonfertigteiltechnik weltmarktführend ist. Der Branche machen speziell die hohen Produktionskosten durch die Abkehr von russischem Erdgas zu schaffen, sprich das energiepolitische Harakiri der Bundesregierung. Immerhin will die Koalition ab 2026 großen Unternehmen mit einem billigen Energiestrompreis zu Hilfe kommen, wogegen die Verbraucher kräftig weiter ächzen müssen. Entsprechend steigen auch Privatinsolvenzen rasant. Über das Jahr betrachtet werden es absehbar 76.300 Fälle sein, auch das ein Zehnjahresrekord.
Hauptursache dafür sei die »zunehmende Überschuldung der Menschen«, erklärte Patrik-Ludwig Hantzsch, der bei Creditreform die Wirtschaftsforschung leitet. Nach seinen Angaben werden aktuell 5,67 Millionen Bürger von ihren Verbindlichkeiten erdrückt. »Hohe Lebenshaltungskosten, Stellenstreichungen und steigende Arbeitslosigkeit bringen viele Haushalte an ihre Grenzen.« Akute Nöte beuteln ebenso die Wirtschaft. »Viele Betriebe sind hoch verschuldet, kommen schwer an neue Kredite und kämpfen mit strukturellen Belastungen wie Energiepreisen oder Regulierung«, so Hantzsch. Das setze vor allem kleine und mittlere Unternehmen unter starken Druck und breche nicht wenigen das Genick. Kleinere Firmen mit bis zu zehn Beschäftigten machen mit 19.500 Fällen den größten Anteil der 2025er Pleitebilanz aus. Einen moderaten Aufwuchs auf rund 140 Fälle gab es bei Großinsolvenzen von Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten.
Die Großen machen sich davon, die Kleinen bleiben auf der Strecke. »Die Angst im Mittelstand« titelte am Montag das Handelsblatt. Nach einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Horváth unter 200 Familienunternehmen mit einem Jahresumsatz von über 100 Millionen Euro gehen 56 Prozent davon aus, dass sie deutlich geschwächt aus der Krise hervorgehen und global an Stärke und Einfluss verlieren werden. Viele nehmen deshalb Reißaus aus der BRD und verlegen ihre Produktion ins Ausland. Nur noch 55 Prozent ihrer Investitionen tätigen die Befragten auf dem Heimatmarkt, bis 2030 wird die Quote voraussichtlich auf 40 Prozent sinken. Jedes zweite Unternehmen will Stellen streichen. Gefragt nach den Gründen, verwiesen die Mittelständler auf hohe Personalkosten und ein »starres und unflexibles« Arbeitsrecht. Genannt werden ferner »sinkende Arbeitsmoral« und neue Technologien, die alte Jobs überflüssig machten, vor allem der Vormarsch künstlicher Intelligenz (KI).
Bekanntermaßen liebäugelt der Verband der Familienunternehmen damit, die »Brandmauer« zur AfD abzutragen. Die Chefin des Maschinenbauers Trumpf, Nicola Leibinger-Kammüller, hat diesen Kurs ausdrücklich gegen Kritik in Schutz genommen. Außerdem hatte sie erst Ende November öffentlich gefordert, den Ostermontag abzuschaffen. Sie sei überzeugt, für mehr Arbeitszeit ließe sich eine Lösung finden, »ohne dass Beschäftigte danach ins Sanatorium müssen«. Noch so eine Bankrotterklärung.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (8. Dezember 2025 um 21:21 Uhr)Um dem ökonomischen Ruin (Baerbock lässt grüßen) in Deutschland zu entgehen, verlagern immer mehr Unternehmen ihre energieintensiven Fertigungsstätten nach China. Dort können sie dann wieder ungestört (ohne Pipeline-Sabotage) und mittels nachhaltig preisgünstiger Energie aus Russland wettbewerbsfähig produzieren. So geht deutsche »werte-basierte« Interessenpolitik ˜– einfach genial! Der hiesige Arbeiter bedankt sich – und die AfD freut sich!
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