Warum verkaufen Eigentümer nicht für Obdachlose?
Interview: David Bieber
Fiftyfifty, die Organisation für Obdachlosenhilfe, hat jüngst in Nordrhein-Westfalen ein Grundsatzurteil zur Praxis des sogenannten Housing First erwirkt. Worum ging es in diesem Verfahren?
Wir haben am 24. November 2025 vor dem Amtsgericht Düsseldorf mit einem wichtigen Urteil für die Bekämpfung der Obdachlosigkeit Rechtsgeschichte geschrieben. Das Ergebnis ist, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft, kurz WEG, die Veräußerung einer Wohnung nicht ablehnen darf, nur weil die Wohnung zur Umsetzung des »Housing First«-Ansatzes genutzt werden soll. Genau das aber hatte eine solche WEG zuvor beschlossen und damit ihre Zustimmung zur Veräußerung einer Eigentumswohnung an Fiftyfifty verweigert. Das Amtsgericht Düsseldorf hat diesen Beschluss für ungültig erklärt und anstelle der WEG die Zustimmung zur Veräußerung an Fiftyfifty erteilt.
Wie hat das Gericht seine Entscheidung begründet?
Es stellt in seinem Grundsatzurteil klar, dass die Verweigerung der Zustimmung eines konkreten, legitimen Grundes bedarf. Pauschale Vorbehalte gegenüber obdachlosen Personen genügen nicht. Im Verfahren wurde auch die verfassungsrechtliche Dimension des Falls hervorgehoben.
Waren Sie von der Entscheidung überrascht?
Wir haben mit einem Sieg gerechnet und sind froh, dass das Urteil ein für alle Mal klarstellt, dass Diskriminierungen beim Verkauf bzw. Erwerb einer Wohnung verboten sind. Damit hat das Gericht nicht nur für obdachlose Menschen wegweisend geurteilt, sondern auch jede andere Form von Diskriminierung wie etwa rassistische oder ableistische (Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, jW) erschwert.
Wie oft kam es in der Vergangenheit vor, dass Verwalter die Zustimmung in solchen Fällen verweigert haben?
Fiftyfifty hat mittlerweile mehr als 130 Wohnungen für Obdachlose entweder selbst erworben oder durch Unterstützerinnen oder Unterstützer zur Verfügung gestellt bekommen. Leider haben Verwaltungen oft damit gedroht, dem Kauf durch uns nicht zuzustimmen. Wir konnten dies bisher verhindern, indem wir mit einer Klage gedroht haben.
Warum muss ein Verwalter überhaupt zustimmen?
Die Zustimmung ist oft notwendig, wenn ein Haus mehreren Parteien gehört. Dann wird in der sogenannten Teilungserklärung die Zustimmung der Verwaltung festgelegt.
Was ist das Besondere am Konzept hinter »Housing First«?
Das ist ein sozialpolitischer Ansatz zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit. Das zentrale Prinzip lautet: Menschen, die auf der Straße leben, bekommen sofort und ohne Vorbedingungen – wie Abstinenz oder Teilnahme an Programmen – eine dauerhafte, eigene Wohnung. Erst nach der Sicherung des Wohnraums werden freiwillige Unterstützungsangebote bereitgestellt – etwa Betreuung, Therapie oder Hilfe bei Behördenwegen. Die Grundidee ist, dass Stabilität und Sicherheit durch eine feste Wohnung die beste Basis schaffen, um weitere Probleme erfolgreich anzugehen.
Und klappt das bei Fiftyfifty?
Auf das, was wir tun, schaut die Republik. Wir wollen in Kooperation mit der Stadt Düsseldorf die Straßenwohnungslosigkeit in maximal zehn Jahren überwinden. Wir brauchen dazu etwa 500 Apartments. Über 130 haben wir bereits. Wenn wir erfolgreich sind, und daran glaube ich, ist das, was wir tun, eine Blaupause für ganz Deutschland. Wenn eine Stadt wie Düsseldorf, in der die Wohnungsnot derart schlimm ist, wie nur in wenigen anderen Städten, es schafft, die Straßenobdachlosigkeit zu überwinden, dann kann dies auch in jeder anderen deutschen Großstadt gelingen.
Was müssten die politisch Verantwortlichen tun, um Obdachlosigkeit zu überwinden?
Bauen, bauen, bauen: Der Wohnungsmarkt darf nicht den Interessen der großen Wohnkonzerne überlassen werden. In Deutschland fehlen 1,2 Millionen bezahlbare Wohnungen. Nur dann, wenn es ausreichend Wohnraum gibt, können auch die Mieten sinken. Bis dahin brauchen wir meines Erachtens einen Mietendeckel.
Hubert Ostendorf ist Gründer und Geschäftsführer der Obdachlosenhilfe »Fiftyfifty«
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
IMAGO / Olaf Döring20.08.2021»Wir werden immer für Benachteiligte eintreten«
Sebastian Gollnow/dpa09.03.2019Keine Unbekannten
Sophia Kembowski/dpa03.01.2018»Plätze in Frauenhäusern müssen aufgestockt werden«
Regio:
Mehr aus: Inland
-
Weshalb schließen im Osten reihenweise Kitas?
vom 09.12.2025 -
Abfuhr aus Washington
vom 09.12.2025 -
Rechte Konkurrenz für Transatlantiker
vom 09.12.2025 -
Bankrott im Akkord
vom 09.12.2025 -
Sturm im Windpark
vom 09.12.2025 -
Ausgegrenzte Gruppen
vom 09.12.2025