Weshalb schließen im Osten reihenweise Kitas?
Interview: Gitta Düperthal
Seit Jahren war die Rede von überfüllten Kindergruppen in Kitas sowie von überforderten Erzieherinnen und Erziehern. Nun plötzlich heißt es vor allem in Ostdeutschland: Kinder fehlen und Einrichtungen sollen schließen. Allein im Raum Frankfurt (Oder) droht rund 100 Kitaerzieherinnen, dass sie ihre Anstellung verlieren. Wie ist die Lage bei Ihnen in Cottbus?
Tatsächlich drohen vor allem in Ostdeutschland den Kitaerzieherinnen Entlassungen, etwa in Sachsen und in Brandenburg. Für Cottbus und Umgebung können wir diese noch nicht genau beziffern. Mutmaßlich wird 2026 darauf reagiert, dass die Zahl der Geburten abnimmt. Wir hören aber von Erzieherinnen in Lübben bereits, dass dort über Entlassungen geredet wird. Nur in Kitas in ländlicher Umgebung scheint die Lage entspannt.
In welchem Ausmaß sind die Geburten zurückgegangen?
Früher hatten sich Eltern quasi schon von der Geburt an bewerben müssen, um einen Kitaplatz zu ergattern. In Brandenburg werden tatsächlich weniger Kinder geboren, seit 2016 hat die Geburtenzahl um etwa 28 Prozent abgenommen.
Und wie viele Kinder sind in dem Bundesland derzeit in einer Kitagruppe?
Gemäß dem Personalschlüssel für eine Fachkraft kommen auf sie zehn Kinder ab drei Jahren bis zum Grundschulbesuch bzw. statistisch 4,25 Kinder im Alter bis zu drei Jahren in der Krippe. Wir hatten gefordert, dass eine Erzieherin dort für genau vier Kinder zuständig sein soll. So wäre bei sinkender Kinderanzahl die gleiche Zahl von Erzieherinnen beschäftigt. Die SPD/BSW-Landesregierung hatte es zunächst auch so beabsichtigt, dann aber im Haushalt nicht eingeplant. Der politische Wille fehlte. Andere Dinge schienen wichtiger als die frühkindliche Erziehung.
Gibt es Probleme, wenn eine Erzieherin im Urlaub ist und zugleich eine andere erkrankt?
Allerdings. Wir kritisieren, dass dies beim Betreuungsschlüssel nicht einberechnet ist – auch nicht, dass Erzieherinnen schwanger werden können. Bei längeren Ausfällen wird Personal befristet eingestellt. Der Schlüssel ist eine theoretische Grundlage, die Praxis sieht anders aus. Mitunter können Kitas nur eingeschränkte Betreuungszeiten anbieten, Eltern müssen mit ihren Kindern zu Hause bleiben. Auch wegen meiner eigenen Tochter erreichen uns Anrufe unserer Kita. Da heißt es dann: »Heute ist niemand da, der sie betreuen könnte.«
Diese Situation dürfte bei den Beschäftigten für eine Menge Frust sorgen: Erzieherinnen und Erzieher können ihre pädagogische Arbeit aufgrund der Arbeitsbedingungen kaum erledigen, und nun drohen Entlassungen …
Jeder Euro, den wir für frühkindliche Bildung ausgeben, rentiert sich, weil Kinder besser auf die Schule und das Leben vorbereitet sind, mutmaßlich später nicht erwerbslos werden. Der Staat spart also am Ende mehr, wenn er heute für die Bildung der Kinder Geld ausgibt. Ein besserer Personalschlüssel hätte in jeder Hinsicht geholfen: zur Sicherung der Beschäftigung und damit Erzieherinnen und Erzieher bessere pädagogische Angebote machen können. Sie machen stets den besten Job, damit die Kinder möglichst keine negativen Auswirkungen merken. Sie sind aber belastet, zumal Vor- und Nachbereitung der frühkindlichen Bildung und Elternarbeit nicht im Schlüssel für die Erziehungsarbeit abgedeckt sind. All das erledigen sie mal so nebenbei.
Verdi fordert, die rückläufige Zahl an Kindern in Brandenburgs Kitas zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels zu nutzen. Wie kann die Gewerkschaft das erkämpfen?
Wir organisieren uns politisch über die Initiative »Kitakollaps«. Diese wurde ins Leben gerufen von einem Bündnis aus Eltern, Pädagoginnen und Trägervertreterinnen. Wir gehen auf die Straße mit dem Ziel, auf die prekäre Lage in der frühkindlichen Bildung und auf die strukturellen Probleme in der Kindertagesbetreuung aufmerksam zu machen. Wir werden gewerkschaftlich kämpfen, weil es so nicht weitergehen kann: Ab 2027 muss es Verbesserungen geben.
Marco Bedrich ist Bezirks-geschäftsführer der Dienst-leistungsgewerkschaft Verdi in Brandenburg und dort zuständig für den Fachbereich Erziehung, Bildung und soziale Arbeit
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