Mehrheit für »Rentenpaket« fraglich
Berlin. Die Koalitionsmehrheit für das von neoliberalen Hardlinern zum Skandal erklärte »Rentenpaket« wackelt: In einer Test-Abstimmung der Unionsfraktion votierten nach Angaben von Teilnehmern etwa 15 Abgeordnete gegen den Gesetzentwurf. Einige sprachen sogar von etwa 20 Nein-Stimmen. Es gab zudem rund eine Handvoll Enthaltungen. CDU, CSU und SPD haben im Parlament nur eine Mehrheit von zwölf Stimmen. Damit ist unklar, ob die Koalition das Gesetz am Freitag aus eigener Kraft verabschieden kann. Die Fraktionsführung gab den Abgeordneten bis Mittwoch um 12 Uhr Zeit, sich endgültig zu erklären.
Die Abstimmung im Bundestag soll am Freitag stattfinden. Das Thema Rente steht derzeit am Vormittag mit 70 Minuten Debatte auf der Tagesordnung. Anders als bei der im ersten Anlauf geplatzten geheimen Richterwahl im Juli wird diesmal namentlich abgestimmt. Mit verdeckten Karten können die Abgeordneten also nicht spielen. Sie müssen Farbe bekennen. Wie viele Gegenstimmen aus den eigenen Reihen für die Koalition verkraftbar sind, hängt davon ab, wie viele Abgeordnete am Freitag anwesend sind. Wenn alle da wären, bräuchte die Koalition 316 von 630 Stimmen für eine eigene Mehrheit. CDU, CSU und SPD kommen zusammen auf 328 Stimmen. Wenn also 15 bis 20 Unionsabgeordnete mit Nein stimmen, gibt es keine Mehrheit – es sei denn, Abgeordnete aus Oppositionsfraktionen stimmen dafür.
Bundeskanzler Friedrich Merz appellierte in der Fraktionssitzung nach Angaben von Teilnehmern noch einmal eindringlich an die »Renten-Rebellen«, dem Paket zuzustimmen. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte schon vor der Sitzung alle Abgeordneten dazu aufgerufen, sich an ein Mehrheitsvotum zu halten. »Ich weiß, wie viele Kolleginnen und Kollegen mit sich ringen in der Abwägung unterschiedlicher Aspekte«, sagte er. Wenn aber mehrheitlich eine Zustimmung empfohlen werde, »gibt es die klare Erwartung auch in unserer Arbeitsordnung, dass dann diejenigen, die es anders gesehen haben in dieser Abstimmung, dann gemeinsam mit der Mehrheit der Fraktion im deutschen Bundestag abstimmen«.
Vor den Abgeordneten sagte Spahn laut Teilnehmern, es gehe jetzt konkret um die Stabilität der Regierung. Bei einem Scheitern gäbe es keinen Applaus mehr. 90 Prozent der Unionswähler würden dann fragen: »Was macht ihr da?«
Der Widerstand gegen das Rentenpaket kommt vor allem aus der sogenannten Jungen Gruppe der Unionsfraktion, die sich seit Monaten gegen das Rentenpaket stemmt. Zu ihr zählen 18 Abgeordnete, die zu Beginn der Legislaturperiode höchstens 35 Jahre alt waren. Das im Gesetzentwurf angepeilte Rentenniveau – also das Verhältnis der gesetzlichen Rente eines Standardrentners mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsverdienst aller Erwerbstätigen – von 48 Prozent über 2031 hinaus würde ihrer Überzeugung nach inakzeptable Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen. Die Spitzen von Union und SPD hatten sich am Freitag im Koalitionsausschuss trotzdem darauf festgelegt, den Gesetzentwurf nicht mehr zu ändern. Allerdings soll die bereits beschlossene Rentenkommission noch dieses Jahr mit Vorbereitungen für eine »große Reform« loslegen. Bis Mitte 2026 soll sie demnach Vorschläge vorlegen und auch mit Vertretern der »jungen Generation« besetzt werden – zum Beispiel aus der neoliberalen Jungen Gruppe. Außerdem soll sie auch Themen behandeln, die für die SPD bisher ein Tabu waren, zum Beispiel ein späteres Renteneintrittsalter als 67.
Der Jungen Gruppe reicht das Kompromissangebot nicht aus. Nach drei Tagen Bedenkzeit veröffentlichte sie am Montag ein Positionspapier, in dem das Gesetz nach wie vor als »nicht zustimmungsfähig« bezeichnet wird. Darin erklärte die Gruppe aber, die Mitglieder seien in ihrem Abstimmungsverhalten frei. (dpa/jW)
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