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Aus: Ausgabe vom 02.12.2025, Seite 5 / Inland
Rechenzentrum Schwarz und Telekom

KI lässt Strom k. o. gehen

Telekom und Schwarz-Gruppe planen Großrechenzentrum. Hype um IT-Infrastruktur frisst Unmengen Energie
Von Ralf Wurzbacher
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Schaufeln für KI: Medienwirksamer Spatenstich in Lübbenau für eines der größten Rechenzentren (17.11.2025)

Die Schwarz-Gruppe aus Neckarsulm will gemeinsam mit der Deutschen Telekom eine europäische Gigafactory für künstliche Intelligenz (KI) aus dem Boden stampfen. Entsprechende Verhandlungen seien weit fortgeschritten, eine formelle Einigung stehe aber noch aus, berichtete am Sonntag abend das Handelsblatt unter Berufung auf mehrere Insider. Die Europäische Union plant den Bau von bis zu fünf über den Kontinent verteilten Großrechenzentren, um im globalen, von China und den USA angeführten KI-Wettrennen nicht den Anschluss zu verlieren. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, mindestens einen der Standorte nach Deutschland zu holen. Daneben verfolgt die IT-Branche etliche weitere Projekte im Bestreben, die BRD zu einer KI-Hochburg zu machen.

Ganz vorn mischt dabei der Schwarz-Konzern des Lidl-Gründers und mit einem Vermögen von über 40 Milliarden reichsten Mannes der Republik, Dieter Schwarz, mit. Erst Mitte November war der symbolische Spatenstich für eine monströse Anlage mit insgesamt sechs Gebäuden auf einem 13 Hektar großen Gelände im brandenburgischen Lübbenau erfolgt. Drei Einheiten des »Schwarz Digits Datacenter« sollen bis Ende 2027 fertiggestellt werden und eine Anschlussleistung von zunächst 200 Megawatt schaffen. Die Investitionskosten für die Unternehmung sollen sich auf elf Milliarden Euro belaufen. Auf lange Sicht könnten bis zu 100.000 KI-Spezialchips (GPUs) in dem Werk installiert werden. Diese Komponenten braucht es, um große KI-Modelle zu trainieren und zu betreiben. Zum Vergleich: Das Rechenzentrum, das die Telekom und der US-Hardwareproduzent Nvidia derzeit in München hochziehen, wird künftig lediglich mit einem Zehntel der Kapazitäten von Lübbenau aufwarten.

Die EU-Kommission will bis zu 20 Milliarden Euro an Fördermitteln für ihre KI-Offensive lockermachen. Das könnte den Profiteuren bis zu 35 Prozent der Investitionskosten sparen. Deutschland brauche Rechenpower, um in der ersten Liga der Techindustrie mitzuspielen, meint Digitalminister Karsten Wildberger (CDU). »Nur mit leistungsfähigen Rechenzentren können wir KI-Anwendungen im großen Stile einsetzen und unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken.« Nach Angaben des Verbands Bitkom werden hierzulande bis Jahresende rund zwölf Milliarden Euro in IT-Hardware und weitere 3,5 Milliarden Euro in Gebäude sowie Energie- und Klimatechnik gesteckt. Bis 2030 könnte sich die Gesamtleistung auf dann fast fünf Gigabite nahezu verdoppelt haben. KI soll dabei ihren Anteil an den Gesamtkapazitäten von heute 15 auf 40 Prozent steigern.

Neben Fragen nach der Sinnhaftigkeit und den Gefahren des Technologiehypes stellt sich auch die nach der Energieversorgung. Bekanntlich fressen IT-Infrastrukturen ohne Ende Strom. Das Problem hat sich infolge des ersten Auftritts von Chat-GPT vor drei Jahren praktisch potenziert, weil mit der damit ausgelösten Goldgräberstimmung überall auf der Welt neue IT-Standorte wie Pilze aus dem Boden schießen. Die Investmentbank Goldman Sachs schätzt, dass die Techriesen in den USA bis Ende 2026 über 730 Milliarden US-Dollar für neue Rechenzentren ausgeben werden. Das Wall Street Journal bezifferte Mitte November den dafür erforderlichen Bedarf mit 80 Gigawatt Strom. Das wäre mehr, als ganz Deutschland in Spitzenzeiten verbraucht.

Jüngst berichtete das Wirtschaftsportal Bloomberg von zwei stillstehenden Nvidia-Anlagen im kalifornischen Santa Clara. Der örtliche Versorger Silicon Valley Power kann demnach erst bis in drei Jahren eine Anbindung ans Netz herstellen. Der Durst nach Strom sei in den USA so groß, dass er mit den bestehenden Gas- und Atomkraftwerken nicht gedeckt werden könne. Um so bitterer erscheint es, dass Präsident Donald Trump reihenweise Wind- und Solarprojekte torpediert. In nur wenigen Jahren sollen sich die Strompreise im Umkreis von großen Rechenzentren bereits verdreifacht haben. Der Bundesstaat Ohio will Verbrauchern qua Gesetz die Energie drosseln oder sogar abdrehen, um die Big-Data-Branche vor einem möglichen Blackout zu bewahren. Keine Sorge – die Macher arbeiten bereits an einer Lösung. Wie in der Vorwoche die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) festhielt, wollen die ihre Rechenfabriken künftig in den Orbit auslagern.

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