Gegründet 1947 Dienstag, 2. Dezember 2025, Nr. 280
Die junge Welt wird von 3063 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 02.12.2025, Seite 3 / Inland
Neue Kühne-Oper in der Hafencity

Sollte man Kühne das spendieren lassen?

Hamburg: Bürgerschaft verhindert mit neuer Oper Gedenkstätte für Genozid an Herero und Nama, kritisiert Jürgen Zimmerer
Interview: Gisela Sonnenburg, Hamburg
imago810214339.jpg
Auf dem Baakenhöft im Hamburger Hafen soll ein neues Opernhaus entstehen (Hamburg, 8.4.2025)

In der Hamburger Hafencity gibt es eine Landzunge namens Baakenhöft. Die Hamburger Bürgerschaft hat nun die Pläne des Senats zur Errichtung eines Opernhauses – mit geschenktem Geld des Milliardärs Klaus-Michael Kühne – beschlossen. Warum fordern Sie und weitere Wissenschaftler, dass eine Expertenkommission Zeit bekommt, die Fakten und Kosten gründlich abzuwägen?

Hier wird ein Großprojekt übers Knie gebrochen – ohne gründliche Diskussion in der Stadtgesellschaft darüber, ob wir eine neue Oper brauchen, wie sie dimensioniert sowie gestaltet werden sollte und wie mit einem zentralen Täterort des deutschen Genozids an den Herero und Nama umgegangen werden sollte.

Fest steht, dass von dort aus einst die deutschen Schiffe zum Genozid an den Herero und Nama im heutigen Namibia ablegten. Damit wird die Forderung nach einer Gedenkstätte begründet. Statt dessen soll nun die Oper dort hin – und der Forschung wurde Geld entzogen.

Auffallend ist dabei: Aus einer Zusage der politischen Kräfte in Hamburg noch im April 2024, dass die von mir geleitete Forschungsstelle »Hamburgs (post-)koloniales Erbe« gesichert sei, wurde im Mai 2024, nach unserem Einspruch gegen die Bebauung des Baakenhafens mit Luxuswohnungen, rasch eine Absage. Die Forschungsstelle musste schließen. Ich konnte mir damals nicht erklären, dass Kritik an Wohnhäusern so eine Reaktion auslösen könnte. Nun ahne ich, dass wir der Oper in die Quere kamen.

Der Senat hat es bisher abgelehnt, über eine Gedenkstätte am Baakenhöft nachzudenken. Auch Vorschläge für sozialen Wohnungsbau dort wurden abgelehnt. Kann man bei der Hafencity von einem »Reichenghetto« sprechen?

Ob der Senat nachgedacht hat, kann ich nicht sagen, aber konkrete und bedeutsame Schritte hat er nicht unternommen. Die Hafencity ist ein Wohngebiet für die Betuchten, und die Oper dort wird kaum zur sozialen Diversität beitragen.

Unter Ihren Mitstreitern ist eine ehemalige, sich im Ruhestand befindende Dozentin der Hafen-City-Universität. Auch Professoren für Städtebau und Theaterwissenschaft unterstützen Ihre Forderungen. Welche sozialen und kulturellen Folgen werden befürchtet, wenn sich mit der Kühne-Oper und der Elbphilharmonie die Hochkultur am Hafen ballt?

Die Zentrierung kultureller Einrichtungen an der einen Stelle führt meistens zu einem Fehlen an einer anderen Stelle. Angesichts der Überdimensionierung der Oper erwarte ich, dass diese als kulturelles Angebot an Touristen zu verstehen ist und etwa der Kreuzfahrtindustrie und weniger den Interessen der Hamburger nützt.

Der Entwurf stammt von der dänischen Bjarke Ingels Group. Deren Pläne lassen auf dem Baakenhöft keinerlei Raum für eine Gedenkstätte. Könnten Sie sich eine Verbindung von Opernhaus und Erinnerungsort vorstellen?

Es ist weniger der Umstand, dass kein Raum für einen Gedenkort gelassen wird, als dass der Senat dies in seinen Planungen nicht berücksichtigte und anscheinend Herrn Kühne und die Kühne-Stiftung nicht einmal fragte. Wer aber so viel Geld für eine Oper ausgibt, der würde es wohl kaum an fünf Millionen für ein Dokumentations- und Gedenkzentrum scheitern lassen. Dem Senat ist die Aufarbeitung des kolonialen Erbes nicht wichtig genug, so scheint es.

Auch Verbindungen zur Nazizeit werden nicht aufgearbeitet. Die Firma Kühne und Nagel baute auf dem Vermögen auf, das Kühnes Vater mit dem Transport der Güter von enteigneten Juden machte. Kühne verweigert jegliche Akteneinsicht durch Wissenschaftler. Soll man ihn trotzdem das Opernhaus spendieren lassen?

Weder Herr Kühne noch die Kühne-Stiftung gehen mit dieser Vergangenheit transparent um. Sonst hätten wir ja die Diskussion gar nicht. Es wäre also auch für Kühne jetzt eine Gelegenheit, hier reinen Tisch zu machen. Aber vielleicht hat ihm das niemand nahegelegt, weil alle vor dem geöffneten Portemonnaie erstarren.

Jürgen Zimmerer lehrt Globalgeschichte an der Universität Hamburg und leitete von 2015 bis 2025 die mittlerweile geschlossene Forschungsstelle »Hamburgs (post-)koloniales Erbe«

Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug

Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Möglicher Bauplatz für die Kühne-Oper in der Hamburger Hafencity
    17.09.2025

    Auf wessen Kosten?

    Die Hamburger Linksfraktion startet pünktlich zum Saisonbeginn von Oper und Ballett eine Petition gegen den Bau der Kühne-Oper
  • Hat nach Meinung des Mäzens ausgedient: Das Gebäude der Hamburgi...
    10.02.2025

    Zum Diktat

    Die Hamburgische Staatsoper soll an den Stadtrand ziehen, weil ein Milliardär das so möchte

Mehr aus: Inland