Dionysiker des Tages: Wolfram Weimer
Von Felix Bartels
In der Lyrik unternimmt das Subjekt, sein Gemüt in der Äußerung seiner selbst zu vernehmen. Im Gegensatz zur Epik, meint Hegel damit, fehlt dem Genre Totalität, worin die einzelne Rede als begrenzte relativiert werden könnte. Wer ein Gedicht schreibt, kann sich nicht auf Rollenprosa rausreden. Wolfram, Begründer der Weimerer Klassik und im Nebenberuf Kulturstaatsminister, sollte das wissen. Die Aura kanonischer Gediegenheit, die er geschäftig erzeugt, scheint vielmehr Patina, um es im von ihm bevorzugten Jargon zu sagen.
Dass er ein Frühwerk hat, hat der Klassiker mit dem Klassiker gemein. Auch Wolfram Weimer hielt für angezeigt, bevor er nach Italien machte, ein Buch in die Welt zu werfen, das ihm jetzt, Jahrzehnte später, bumeranggleich auf die Füße fällt. Ausgegraben haben das rote Heft mit redubliziertem Munch-Schrei auf dem Einband Dax Werner und Moritz Hürtgen für ihren Podcast »Bohniger Wachmacher«. Weimer wird man erklären müssen, was ein Podcast ist: eine Art Eckermann in digital.
Geschrieben 1986, hört es auf den Namen »Kopfpilz«, und in der Tat wuchert es darinnen, als habe Lindemanns Till selbst Hand angelegt. Was Weimer über Frauen und Sex zu sagen hat, ist Fleisch von dessen Fleisch: »Überwuchert mit Eiterbeueln / nötigt er die Schwangere / zum Fleischreiben / sein Pech / dass sein Schwanz platzt / ihr Pech / dass warmer Eiter ihren Unterleib / überflutet / und das Kind ersäuft«.
Wolframs Draht läuft heiß, die Muse ist weiblich. Hass auf Poesie und Hass auf Frauen fallen hier zusammen. Kein Hinweis – im Text nicht noch im Paratext –, der sich von der versgewordenen Gewaltphantasie wenigstens theoretisch distanzierte. Soll man einem gestandenen Mann die Sünden seines 22 Jahre alten Ichs unter die Nase reiben? In Goethes Namen: nein. Aber vergnügt zuschauen, wie er sich jetzt etwas windet, darf man schon.
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