Mineneinsturz in DR Kongo
Von Christian Selz, Kapstadt
Für Energiewende, Elektronik und in zunehmendem Maße auch »smartes« Kriegsgerät der Privilegierten dieser Welt sterben in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) Menschen – entweder infolge von Krieg und Gefechten um die Kontrolle über Rohstofflagerstätten oder in unzureichend gesicherten Minen. Letzterer Fall trat am vergangenen Freitag einmal mehr ein, wobei dem Militär auch dort eine Beteiligung angelastet wird. Ort des »Unglücks«, wie derlei zwingende Konsequenzen kapitalistischer Hyperausbeutung oft verklärend genannt werden, war eine Grube in der Provinz Luabala im Südosten der DR Kongo. Über Opferzahlen, Ursache sowie selbst den Namen der Mine gibt es verschiedene Angaben.
Wie dpa und in der Folge tagesschau.de am Sonntag meldeten, seien in einer »unregulierten Goldmine« namens »Mulondo Lwalaba« mindestens 101 Menschen durch einen Erdrutsch zu Tode gekommen. Dies habe ein namentlich nicht genannter Polizeibeamter bestätigt. Ursächlich für die Katastrophe waren demnach starke Regenfälle.
Bei AP heißt die Mine dagegen »Kalando« und produziert Kupfer und Kobalt. Die US-Nachrichtenagentur berief sich auf eine Pressekonferenz des Provinzinnenministers Roy Kaumbe Mayonde vom Sonntag, in der dieser den Vorfall auf Sonnabend datierte und auf den Einsturz einer Brücke auf dem Tagebaugelände zurückführte. Mayonde gab die Zahl der Todesopfer mit 32 an und erklärte: »Trotz eines formellen Zugangsverbots aufgrund des starken Regens und des Risikos von Erdrutschen, haben sich eigenständige Bergleute Zugang zum Steinbruch verschafft.«
AP liefert allerdings auch noch eine zweite Version der Ereignisse, die aus einem Bericht der kongolesischen Regierungsstelle zur Unterstützung von Kleinbergbau (SAEMAPE) hervorgeht. Demnach hätten Soldaten Schüsse abgefeuert und dadurch eine Massenpanik verursacht, in deren Folge zahlreiche Bergleute auf die Brücke rannten, die dann kollabierte. In dem Bericht ist von 40 Todesopfern die Rede. SAEMAPE erklärt darin zudem, dass der Tagebau im Zentrum eines langanhaltenden Konflikts zwischen illegalen Bergarbeitern, einer Kooperative, die dort die Arbeiten organisieren sollte, und dem offiziellen Bergbaubetreiber stehe. Über letzteren schreibt AP, dass »gesagt wird, er habe chinesische Beteiligung«.
Al-Dschasira zitiert schließlich noch aus einer AFP-Meldung, in der der Provinzkoordinator der Nationalen Menschenrechtskommission der DR Kongo, Arthur Kabulo, die Zahl der eigenständigen Bergleute (englisch: wildcat miners) mit »mehr als 10.000« angab. Dem Text ist zudem zu entnehmen, dass die Provinzbehörden die Arbeiten in der Grube am Sonntag vorerst gestoppt hätten.
Weder die schiere Zahl der dort Beschäftigten noch die Anwesenheit des Militärs oder die Tatsache, dass die Behörden in der Position sind, den Betrieb anzuhalten, deuten darauf hin, dass die Menschen, die dort nach Rohstoffen graben, tatsächlich auf eigene Faust operieren. »Eigenständig« oder der englische Euphemismus »wildcat« (Wildkatze) bedeuten hier vielmehr, dass die Kumpel – laut dpa häufig Binnenflüchtlinge aus den Kriegsgebieten im Osten der DR Kongo – ohne formale Beschäftigungsverhältnisse von im Dunkeln bleibenden Akteuren ausgebeutet werden.
Die Tatsache, dass global agierende Nachrichtenagenturen von einem Vorfall mit mindestens Dutzenden Todesopfern lediglich derart stark voneinander abweichende Berichte mit dürftiger Quellenlage liefern können, zeigt zudem, wie wenig die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Menschen am Anfang der Technologielieferkette beachtet und beobachtet werden. Transparenz oder gar Lieferkettenverantwortung der weiterverarbeitenden Unternehmen sind so schlicht nicht gegeben. »Immer wieder kommt es in den Bergbauregionen des Landes zu Erdrutschen. Oft sind diese ausgelöst durch starke Regenfälle und begünstigt durch instabile, unregulierte Minen«, schreibt dpa haarscharf an der Problematik vorbei. Denn dort, wo Schüsse aus Militärwaffen fallen, findet sehr wohl Regulierung statt, nur eben nicht zum Schutz der Ausgebeuteten.
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