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Aus: Ausgabe vom 18.11.2025, Seite 7 / Ausland
Präsidentschaftswahl

Chile wählt rechts

Linke Regierungskandidatin Jara gewinnt zwar ersten Durchgang der Präsidentenwahl. Mehrheit stimmte jedoch für rechte Anwärter, Stichwahl gegen Kast
Von Frederic Schnatterer
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Vorerst die Siegerin: Jara nach der ersten Wahlrunde in Santiago (16.11.2025)

In Chile kommt es in gut einem Monat zur Stichwahl um das Präsidentenamt. In der ersten Runde am Sonntag (Ortszeit) konnte sich die linke Regierungskandidatin Jeannette Jara zwar knapp durchsetzen. Sie kam nach Auszählung von 97 Prozent der Stimmen auf 26,8 Prozent. Nur knapp dahinter liegt aber der Ultrarechte José Antonio Kast von der Republikanischen Partei. Er vereinte fast 24 Prozent der Stimmen hinter sich. Die Entscheidung darüber, wer die chilenische Regierung von 2026 bis 2030 führen wird, fällt damit am 14. Dezember.

Das Ergebnis ist noch knapper als vorausgesagt. Umfragen hatten die Präsidentschaftskandidatin zuvor bei rund 30 Prozent gesehen. Jara war unter dem amtierenden Präsidenten Gabriel Boric Arbeitsministerin und ist seit ihrer Jugend Mitglied der Kommunistischen Partei Chiles. Im Wahlkampf hatte sie sich allerdings darum bemüht, das Image einer Kommunistin abzulegen. Hinter Kast, der sich bereits das dritte Mal um das Präsidentenamt bemüht, kam überraschenderweise Franco Parisi. Der Ökonom, der in den Medien als »Rechtspopulist« bezeichnet wird, erhielt am Sonntag fast 20 Prozent der Stimmen. Auch er trat bereits zum dritten Mal bei einer Präsidentenwahl an.

Auch wenn Jara die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte: Die Karten für die Stichwahl stehen nicht gut für die progressive Politikerin. Neben Kast und Parisi erhielten zwei weitere ultrarechte Kandidaten hohe Stimmanteile. Der Libertäre Johannes Kaiser kam auf fast 14 Prozent, die Vertreterin der traditionellen chilenischen Rechten, Evelyn Matthei, auf 12,5 Prozent der Stimmen. Es gilt als ausgemacht, dass die Rechtskandidaten sich in der zweiten Runde pragmatisch hinter Kast stellen werden. Rund 70 Prozent der Wählerschaft stimmten am Sonntag für einen rechten Kandidaten. Mit Kaiser pflegt Kast ohnehin eine enge Beziehung, Matthei besuchte den Kandidaten der Republikanischen Partei noch am Sonntag auf seiner Wahlparty.

Für die Regierung ist das Ergebnis eine Katastrophe. Dass Jaras Abstand zu Kast derart gering ausfallen würde, hatte sie nicht erwartet. Mehrere Medien berichteten nach der Abstimmung, Jara werde sich nun verstärkt darum bemühen, »moderate« Kreise in der Gesellschaft anzusprechen. Außerdem wird erwartet, dass sie ihre Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei auf Eis legt. In ihrer Dankesrede bemühte sie sich offensiv um die Stimmen der vermeintlich gemäßigten Rechten Matthei, der sie ihre Solidarität angesichts einer Schmutzkampagne im Wahlkampf aussprach. Auch dem Drittplazierten Parisi sprach sie ihren »Respekt« aus.

Kast gab sich am Sonntag zuversichtlich. In Anspielung auf seine dritte Kandidatur rief er aus: »Aller guten Dinge sind drei!« Der wahre Sieg jedoch sei erst dann errungen, wenn die »organisierte Kriminalität zerschlagen ist und wir unsere Grenzen für illegale Migranten geschlossen haben«, so der Sohn eines Wehrmachtsoffiziers weiter. Neben dem Versprechen, mit harter Hand zu regieren, steht Kast für reaktionäre Positionen, beispielsweise bezüglich des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch. Während der ersten 18 Monate an der Regierung möchte er die Staatsausgaben um sechs Milliarden US-Dollar kürzen.

Chile steht ein Rechtsruck bevor. Das spiegelt sich auch im Ergebnis der Parlamentswahlen. Am Sonntag entschieden die Wähler nicht nur über die Präsidentschaftskandidaten, sondern auch über die neuen Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie fast die Hälfte der Senatoren. Während die Koalition der Regierung Unidad por Chile acht Sitze im Abgeordnetenhaus verlor, gewann die ultrarechte Cambio por Chile 18 hinzu. Auch Parisis »Partei der Leute« verzeichnete starke Zuwächse. Fortan sind progressive und unabhängige Kräfte in der Kammer in der Minderheit. Es war das erste Mal seit dem Ende der Militärdiktatur von Augusto Pinochet 1990, dass in Chile Teilnahmepflicht bei einer Präsidentschaftswahl herrschte – eine Maßnahme, die traditionell der Rechten nutzt.

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