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11.11.2025, 16:36:32 / Geschichte
Bundeswehr

Hitlergeneräle bauten die BRD-Armee auf

Die Gründung der Bundeswehr 1955 wurde schon seit Kriegsende vorbereitet
Von Gerhard Feldbauer
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Theodor Blank bei den Feierlichkeiten zur Gründung der Bundeswehr am 12. November 1955

Wenn ausschließlich daran erinnert wird, dass am 12. November 1955 die ersten 101 Freiwilligen ihre Ernennungsurkunde zum Dienst in den Streitkräften erhielten und damit die Bundeswehr formell gegründet wurde, wird ein wichtiger Teil des tatsächlichen historischen Prozesses ignoriert. Denn der Aufbau der Armee wurde von früheren Hitlergenerälen bereits kurz nach Gründung der Bundesrepublik 1949 eingeleitet.

Zu ihnen gehörte General Hasso von Manteuffel, der im November 1949 für Bundeskanzler Konrad Adenauer eine Studie zur Aufstellung einer Armee aus kriegserfahrenen ehemaligen Wehrmachtssoldaten ausgearbeitet hatte. Im August 1950 übernahm der frühere General der Panzertruppen, Gerhard Graf von Schwerin, die zentrale Planung. Zwei Monate später beauftragte Adenauer seinen Parteifreund, Wehrmachts-Oberstleutnant Theodor Blank, das nach ihm benannte Amt zur Leitung des Aufbaus einer neuen Wehrmacht zu bilden. Im Juni 1955 – sieben Monate vor den entsprechenden Maßnahmen in der DDR – wurde daraus das Verteidigungsministerium der BRD.

Im Bundestag gab Blank die geplante Stärke der Streitkräfte bekannt – 370.000 Mann für Bodentruppen, 70.000 für die Luftwaffe und 24.000 für die Marine. 44 ausgewählte ehemalige Wehrmachtsgeneräle wurden berufen, vorwiegend Generalstabsoffiziere, kommandierende Generäle oder Divisionskommandeure, die bis 1945 zur jüngeren Wehrmachtselite gehört hatten. Adolf Heusinger und Hans Speidel wurden zu Generalleutnanten ernannt. Alle 104 zu dieser Zeit in der Bundeswehr aktiven Generäle und Admirale hatten unter Hitler gedient.¹

Zu den Gründungsvätern der Bundeswehr gehörten fanatische Militaristen und Anhänger des Hitlerregimes wie Heinz Trettner, Johannes Adolf Graf von Kielmannsegg oder Karl-Adolf Zenker. Görings Jagdflieger in der Legion »Condor«, Johannes Trautloft, baute die Bundesluftwaffe mit auf. Er war im Weltkrieg durch das von Hitler gestiftete Spanienkreuz in Gold ausgezeichnet worden, wurde nun kommandierender General der Luftwaffengruppe Süd und erhielt das Bundesverdienstkreuz mit Stern. Er gründete die Traditionsgemeinschaft »Legion Condor«, deren Wirken, »der bundesdeutschen Jugend als Vorbild dienen« müsse, wie er in seinen Memoiren »Als Jagdflieger in Spanien« schrieb. Dort rühmte er sich, bei einem Luftangriff auf Madrid seien »uralte Jagdinstinkte« durchgebrochen. Trautloft beschreibt, wie bei Tieffliegerangriffen auf Toledo MG-Garben in den Feind einschlagen, Lastwagen sich überschlagen, wie »Menschen hervorkriechen, viele torkeln, fallen, bleiben liegen. Wohl nichts vermag den Soldaten tiefer zu befriedigen, als der Anblick einer kopflosen, panischen Flucht des Feindes.«

Kontrast DDR

Zum Vergleich sei angeführt, dass in der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Kasernierten Volkspolizei der DDR – denen man gerne vorwirft, sie wären ebenfalls mit einem hohen Anteil an Wehrmachtsmilitärs aufgebaut worden – zwischen 1948 und 1958 neun Wehrmachtsgeneräle dienten. Von ihren circa 18.500 Offizieren waren 1956 nur rund 540 ehemalige Wehrmachtsoffiziere. 1959 waren es noch 163, bis 1964 reduzierte sich ihre Zahl auf 67 im aktiven Dienst. In der BRD kam dagegen noch 1979 jeder zweite der 215 aktiven Generäle und Admirale aus der Wehrmacht. Ganz zu schweigen vom entgegengesetzten Geist, der in den jeweiligen Armeen herrschte.

Mittlerweile ist so viel Zeit vergangen, dass sich das Problem früherer Wehrmachtsoffiziere in der Bundeswehr auf natürliche Weise »gelöst« hat. Geblieben ist aber die unbewältigte braune Vergangenheit, von der Kasernennamen, Wehrmachtslieder und andere Traditionen zeugen. Das zeigte sich auch, als mit dem Anschluss der DDR 299 Namen für Regimenter in der NVA demontiert wurden, die für deren antifaschistische Tradition standen, darunter Rudolf Breitscheid, Wilhelm Leuschner, Harro Schulze-Boysen, Arvid Harnack und natürlich Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Betroffen waren aber sogar die Namen bürgerlicher Militärs aus dem 19. Jahrhundert wie Clausewitz, Blücher, Lützow und Schill. Getilgt wurde auch der Name von Hans Beimler, der nach der Flucht aus dem KZ Dachau zur Verteidigung der Republik gegen die Francofaschisten und ihre deutschen Helfershelfer nach Spanien ging, wo er als Divisionskommandeur am 1. Dezember 1936 vor Madrid fiel.

In der Tradition von Kriegsverbrechern

Unter ihrer alten Truppenbezeichnung wurde die 1. Gebirgsdivision »Edelweiß« in die Bundeswehr übernommen. Der frühere bayerische Ministerpräsident, Edmund Stoiber, der seinen Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern abgeleistet hatte, lobte »ihre Leistungen in Vergangenheit und Gegenwart«. Zu diesen »Leistungen« gehören die im September 1943, nach dem Ausscheiden Italiens aus der faschistischen Achse auf der griechischen Insel Kephallonia an italienischen Soldaten und Offizieren begangenen Kriegsverbrechen. Als die Division »Acqui« am 22. September kapitulierte, wurden von den Gebirgsjägern der Divisionskommandeur und 155 Offiziere sowie 4.750 Mann niedergemetzelt. Der Freiburger Militärhistoriker Gerhard Schreiber hielt in seinem Buch »Deutsche Kriegsverbrechen in Italien« fest, dass es sich um »Mord« und um »eines der abscheulichsten Kriegsverbrechen in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges« gehandelt habe. Der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg stellte fest, die italienischen Truppen, die sich der Entwaffnung widersetzten, »erfüllten hinsichtlich ihres Status als Kriegführende alle Bedingungen der Haager Konvention«. Der kommandierende General des XXII. Gebirgs-Armeekorps, Hubert Lanz, wurde in Nürnberg als Kriegsverbrecher zu zwölf Jahren verurteilt, von denen er nur fünf verbüßte.

Bei der 1. Gebirgsdivision der Bundeswehr wurde Lanz in die Traditionslinie eingereiht. Major Reinhold Klebe, unter dessen Kommando in Kephallonia 400 Gefangene ermordet wurden, wie Schreiber darlegt, brachte es als Oberstleutnant bis zum Standortältesten von Mittenwald. In der Zeitschrift Die Gebirgstruppe rühmte er den Einsatz in Kephallonia »als eine große Leistung deutscher Truppen im Gebirgskrieg«. Der erste Generalstabsoffizier der »Edelweiß«-Division Hitlers, Karl Wilhelm Thilo, schaffte es bis zum Dreisternegeneral.² Unter den unzähligen Verantwortlichen für Kriegsverbrechen, die straffrei ausgingen, befanden sich auch 300 Gebirgsjäger, gegen die 1972 die Ermittlungen eingestellt wurden. Der frühere Wehrmachtsoberst Albert Schnez, der zum Generalleutnant und Heeresinspekteur der Bundeswehr aufstieg, forderte laut Frankfurter Rundschau vom 15. Dezember 1969 den Geist der faschistischen »Kampfbataillone und -kompanien des letzten Krieges« als »Vorbild« zu pflegen.

Dass dieser Geist bis heute wachgehalten wird, wird unter anderem dadurch bezeugt, dass im deutschen Bundestag Vertreter der Ukraine, wie in den USA und anderen EU-Ländern auch, auftreten und den Faschistengruß »Slawa Ukraini!«, der ukrainischen Variante des deutschen »Sieg Heil!«, aussprechen konnten. Oder wenn etwa die Münchner Politikwissenschaftlerin Florence Gaub in der Talkshow »Markus Lanz« erklärt: »Ich glaube, wir dürfen nicht vergessen, dass, auch wenn Russen europäisch aussehen, es keine Europäer sind, im kulturellen Sinne«, so demonstriert dies eine chauvinistische Pervertierung ohnegleichen.

Anmerkungen

1 Weissbuch über den Generalkriegsvertrag. Berlin/DDR 1952 und Frieden oder Krieg. Weissbuch über die Politik der beiden deutschen Staaten. Berlin/DDR 1960.

2 Bundesausschuss der VVN-BdA: Eine Mordstruppe. Renchen 2009

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