Ministerin Reiche landet CO₂-Coup
Von Burkhard Ilschner
Wie erwartet, hat der Bundestag Ende vergangener Woche die im Sommer von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vorgelegte und vielfach kritisierte Änderung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes verabschiedet. Das soll den Weg frei machen für das Abscheiden und Transportieren von CO2 sowie für die Errichtung und den Betrieb von CO2-Speichern »für den kommerziellen Einsatz im industriellen Maßstab«. Gemeint ist die sogenannte CCS-Technik: Der englische Begriff »Carbon capture and storage« steht für Abscheidung und Lagerung von CO2 – etwas unklar, weil »Carbon«, also »Kohle«, eigentlich eine falsche Verkürzung ist.
Zwar wird die Anwendung von CCS auf Industrien beschränkt, deren CO2-Emissionen bislang nicht durch Elektrifizierung oder andere Maßnahmen vermieden werden könnten; als Beispiele werden die Zement-, Kalk- oder auch Stahlindustrie genannt. Allerdings geht das Gesetz nun darüber hinaus: Während Emissionen aus Kohleverstromung wortreich ausgeschlossen werden, sind es Gaskraftwerke ausdrücklich nicht – und das entgegen etlicher Einwände von Sachverständigen. Kritiker halten dies sowohl für klimapolitisch bedenklich, weil es den Primat der CO2-Vermeidung konterkariere, aber auch für einen gelungenen Coup der aus der »fossilen« Energiewirtschaft gewechselten Ministerin Reiche. Dies bestätigt auch die deutliche Stellungnahme des Lobbyverbands »Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft«, der die Option ausdrücklich »positiv bewertet« und die Enttabuisierung von CCS begrüßt.
Nun soll also CO2 »in unterirdischen Gesteinsschichten« dauerhaft gelagert werden, und zwar draußen auf dem Meer. Das Verfahren wird in anderen Ländern (Dänemark, Norwegen) bereits praktiziert, gilt aber als zuwenig erforscht. Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) forderte vor gesetzlicher Etablierung einer »Ewigkeitstechnologie« eine Testphase von mindestens zehn Jahren in einem stark begrenzten Gebiet. Die »Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager« nennt CCS eine Hochrisikotechnik und zitiert Recherchen des internationalen Investigativteams Desmog, wonach Norwegens CO2-Depot »Sleipner« für »rund 25 Prozent des verpressten Kohlendioxids (…) keinen Nachweis mehr« erbringen könne.
Endlagerung auf dem Meer? Das Gesetz beschränkt »künftige Vorhaben grundsätzlich« auf den Festlandsockel und die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), das Küstenmeer ist ausgenommen. Klaus Wallmann vom Kieler Geomar-Institut, der seit Jahren nachdrücklich für CCS missioniert, gibt an, in der deutschen AWZ könnten bis zu sechs Milliarden Tonnen CO2 gespeichert werden, zuvor müssten aber Nutzungskonflikte gelöst werden. So verlaufen vor den Ostfriesischen Inseln die beiden sogenannten Verkehrstrennungsgebiete für den Seehandel. Die Deutsche Bucht ist eines der weltweit am stärksten frequentierten Schiffahrtsreviere; hinzu kommen etwa die stark zunehmenden Offshorewindparks. Ferner gibt es anerkannte Meeresschutzgebiete: Das Gesetz schreibt zwar vor, dort CO2-Speicherung »grundsätzlich« nicht zuzulassen, in Ermangelung eindeutiger Umsetzungsregeln befürchten Kritiker aber eine baldige Aufweichung solcher Vorgaben.
Im Bundestag haben außer den Fraktionen der Regierungskoalition alle Abgeordneten gegen das Gesetz gestimmt – unter anderem auch Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Auf einer heimischen Veranstaltung gegen CCS hatte er im Oktober unmissverständlich Position bezogen: »In der Nordsee darf nur einer bohren – und das ist der Wattwurm!«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (10. November 2025 um 00:18 Uhr)Nicht so viel Ehre für Frau Reiche! Die Arme macht ja nur dort weiter, wo der Robi aufgehört hat. KW ist inzwischen übrigens zurückhaltender geworden: Er hat geschnallt, dass die AWZ nur recht begrenzte Kapazitäten für CCS bietet und durchaus Nutzungskonkurrenz besteht. Er schaut nun an den Rand des Festlandssockels. Dort gibt es nämlich mit Basalt ein alkalisches Mineral, das Kohlensäure chemisch binden und zu Carbonaten mineralisieren kann. In der Nordsee tut sich diesbezüglich nichts. Das Kohlendioxid würde allenfalls Porenwasser verdrängen und sehr lange im mobilen überkritischen Zustand verharren. Diese Flüssigkeit ist günstigenfalls nur sehr salzig (dreihundert bis dreihundertfünfzig Gramm Salz pro Liter) und es wird davon etwa eineinhalb Kubmeter pro Tonne CO2 verdrängt. Was an anderen Substanzen so drin ist, ist sehr stark von der Lagestätte abhänging. Es seien Arsen, Uran und Cadmium als Beispiele genannt. Diese Mieneralien möchte doch jeder in seinem Mineralwasser haben, oder? Ja, das Porenwasser wird weit verdrängt, das kann durchaus fünfzig bis hundert Kilometer von der CO2-Einpressstelle wieder auftauchen - im wahrsten Sinne des Wortes. Die Sylter (und die Bewohner der anderen Nordfriesischen Inseln und Halligen) freuen sich heute schon, wenn ihre Süsswasserlinsen durch Sole ersetzt werden. Von der Gefahr durch CCS-induzierte Erdbeben und Bodenverwerfungen im Gebiet der Küstenschutzdeiche redet auch keiner. Technisch erforscht ist CCS hinreichend. Die Ansätze stammen aus dem EOR (Enhanced Oil Recovery) im Zeichenvon Peak Oil. Alle Einzelkomponenten sind technisch Reif. Nicht reif sind die geologischen Kenntnisse. Jede einzelne ins Auge gefasste Lagestätte muss genaustens erkundet und beurteilt werden. Die Geologie ist eine Erfahrungswissenschaft und jde Lagerstätte hat ihre Eigenheiten (siehe Asse....). Erkundung und Überwachung sind schwierig und teuer. Man vergleiche die Endlagersproblematik für Atommüll mit CCS! Radionuklide haben eine Halbwertszeit.
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