Teuer, klein und kaputt
Von Luca von Ludwig
Ebbe im Portemonnaie schon am Monatsanfang: Der Großteil des Einkommens der Mieter landet in den Taschen des Vermieters. Kein anderer EU-Staat hat eine höhere Mieterquote als die BRD mit fast 53 Prozent. Dabei leben die Mieter für immer mehr Geld zusehends in zu teuren, zu kleinen und zu kaputten Wohnungen. Das ist in etwa die Quintessenz des diesjährigen »Mietenreports«, den der Deutsche Mieterbund (DMB) am Donnerstag veröffentlicht hat.
»Die Versorgungslücken wachsen«, konstatierte DMB-Präsidentin Melanie Weber-Moritz bei der Vorstellung der Studie. Ein Dauerthema ist die Wohnungsnot in den Ballungszentren und die resultierenden horrenden Mietpreise. Insgesamt seien die Bestandsmieten seit 2013 um etwa ein Drittel gestiegen; im notorisch teuren Berlin sogar um 107 Prozent binnen zehn Jahren. Müßig, zu erwähnen, dass die Lohnentwicklung hier keineswegs Schritt gehalten hat.
Mehr als ein Drittel aller Mieterhaushalte erlebe eine »Wohnkostenüberlastung«, das heißt, es werden mehr als 30 Prozent des verfügbaren Einkommens für das Dach über dem Kopf aufgewandt. Bei rund 13 Prozent seien es sogar mehr als 40 Prozent des Einkommens. Zu Buche schlagen dürften hier auch die Wohnneben- und insbesondere die Heizkosten, die in den vergangenen Jahren rasant gestiegen sind. Etwa ein Drittel mache sich Sorgen, das Geld für die Wohnung in Zukunft nicht mehr aufbringen zu können. In zunehmendem Maße seien hiervon nicht nur Haushalte mit ohnehin geringem Einkommen, sondern auch die Mittelschicht betroffen, heißt es in dem Bericht weiter.
Die Preisentwicklung sorgt demnach auch für eine Missallokation des verfügbaren Wohnraums. Fast jeder fünfte Mieter wohnt nach EU-Definition in überbelegten Wohnungen; von den Eigentümern nur etwa drei Prozent. Zugleich wohnt rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung in »unterbelegten« Quartieren, vom reichsten Fünftel der Bevölkerung sogar gut die Hälfte. Auf Möglichkeiten zur Behebung dieses Zustandes angesprochen, setzte DMB-Präsidentin Weber-Moritz auf Wohnungsneubau. Optionen wie der von Wohnungsgesellschaften organisierte Wohnungstausch seien zwar wünschenswert, hätten sich in der Praxis jedoch nicht durchgesetzt. Zudem brauche es ein entschiedeneres Vorgehen gegen Kurzzeitvermietungsmodelle, um vorhandenen Wohnraum dem regulären Markt zuzuführen.
Ferner stellte der Report einen drastischen Substanzverfall fest: Etwa 16 Prozent der Gesamtbevölkerung leben in Wohnungen mit baulichen Mängeln – von defekten Dächern bis zu Schimmel in den Wänden. Dabei wächst die Zahl der Mangelwohnungen rasant; drei Jahre zuvor waren es noch zwölf Prozent der BRD-Bevölkerung gewesen. Bei Menschen in Haushalten mit Kindern sind es etwa 20 Prozent. Gegenüber jW bezeichnete Gwendolyn Stilling, die Autorin des Berichts, den Befund als »stille Infrastrukturkrise«. Konkrete Gründe für den raschen Verfall seien auf Grundlage der Erhebung jedoch nicht benennbar.
Caren Lay, Sprecherin für Mietenpolitik der Fraktion Die Linke im Bundestag, forderte angesichts der Zahlen am Donnerstag einen bundesweiten Mietendeckel und rührte die Werbetrommel für einen Gesetzentwurf der Partei, über den am Nachmittag (nach jW-Redaktionsschluss) im Parlament abgestimmt werden sollte. Der sieht unter anderem eine deutliche Erhöhung der Bußgelder für Mietwucher vor. Eine Mehrheit galt im Vorfeld allerdings als unwahrscheinlich.
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