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Aus: Ausgabe vom 10.11.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Wo bleibt der Bär?

Unterhaltsam überfordert: Der französische Thriller »How to Make a Killing«
Von Ronald Kohl
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Neuigkeiten zur Befindlichkeit der westeuropäischen Zivilisation

Geld stinkt bekanntlich nicht, aber manchmal die Leute, denen man es abgenommen hat, falls man sie nicht beizeiten entsorgt. Michel (Franck Dubosc) und Cathy (Laure Calamy) haben sich hierfür einen »einfachen Plan« ausgedacht, um gleich mal anzudeuten, woher »How to Make a Killing« seine grundlegende Idee hat. In »A Simple Plan«, 1998 gedreht von Sam Raimi, fiel das Moos noch vom Himmel in den Schnee; ein Kurierflugzeug mit Drogengeld war über einem riesigen Waldgebiet in Nordamerika in einen Sturm geraten. Die Intelligenz der drei Finder reichte in »A Simple Plan« von durchschnittlich bis ganz schön weit unter Durchschnitt.

Michel und Cathy, das bedauernswerte Ehepaar in »How to Make a Killing« (Regie: Frank Dubosc), liegen irgendwo dazwischen, und sie sind nun auf die grandiose Idee gekommen, die Leichen mit Honig einzupinseln und an einem Gebirgsbach abzulegen.

Der Haken an der Sache ist, dass es im Jura keine Bären gibt, auch wenn Michel fest davon überzeugt ist, einen gesehen zu haben. Das Tier stand am helllichten Tage mitten auf der Straße. Bei dem Ausweichmanöver hat Michel die Kontrolle über seinen rostigen Pick-up verloren und einen parkenden schwarzen BMW mit deutschem Kennzeichen gerammt. Die Frau, die sich neben den Kotflügel gehockt hatte, um zu pinkeln, war sofort tot, und der Fahrer des Wagens hat dann auch nicht mehr lange gemacht. Erst bei ihren stümperhaften Versuchen, den Personenschaden zu vertuschen, entdecken Cathy und Michel im Kofferraum des BMW die Sporttasche mit den zwei Millionen Euro.

Trotz der anfänglichen Parallelen ist »How to Make a Killing« alles andere als ein Remake. Auf dem deutschsprachigen Filmplakat heißt es denn auch: »Als hätten die Fargo-Regisseure einen Eberhofer-Krimi inszeniert.« Als Quelle für dieses »Zitat« wird ehrlicherweise das Bären-Journal genannt. Und es würde mich wirklich freuen, wenn diese Albernheit die Menschen tatsächlich ins Kino lockt, obwohl der Film das exakte Gegenteil eines »Eberhofer«-Krimis ist. Dabei gefallen mir die »Eberhofer«-Verfilmungen durchaus. Aber »Eberhofer« ist zeitlos; die Handlung würde in einer fernen Zukunft genauso gut funktionieren wie in der Vergangenheit (Hauptsache, sie spielt irgendwann nach der Gründung von AC/DC).

»How to Make a Killing« ist für mich ein Thriller der absoluten Extraklasse, weil er so topaktuell ist. Er beschreibt in jeder Szene die Befindlichkeit unserer westeuropäischen Zivilisation. Und ich würde den Streifen ganz bestimmt hemmungslos verreißen, wenn er dabei plakativ, aufklärerisch oder belehrend wäre. Doch er macht auf spannende und unterhaltsame Art und Weise menschliches Verhalten, meist Fehlverhalten, verständlich. Und er kennt auch keine Scheu, die Lösung für das größte Problem, das die meisten von uns haben, zu präsentieren.

Ursprünglich sollte der Film hierzulande ja wie im französischen Original unter dem Titel »Ein Bär im Jura« in die Kinos kommen. »How to Make a Killing« ist da auf jeden Fall die bessere Wahl, nicht nur wegen der vermutlich größeren Zugkraft, sondern weil hier auch schon die Ratlosigkeit durchklingt. Alle Charaktere sind, wie es unserer Zeit entspricht, völlig überfordert. Und über die Frage, ob sie glücklich sind, könnten sie nur noch lachen.

Fangen wir bei Michel und seiner Frau Cathy an: Sie betreiben eine Weihnachtsbaumfarm. Wehmütig denken sie an die Zeit, als Heiligabend noch das Fest des Schenkens, des Konsumterrors und Geldausgebens war. Jetzt geht alles den Bach runter, die Bäume verkaufen sich nicht. Oder Roland, der Dorfsheriff. Seine Frau ist mit einem Zahnarzt durchgebrannt. Seine Tochter gammelt. Sie muss sich von ihrer verpatzten Abiturprüfung erholen, die nun auch schon ein halbes Jahr zurückliegt. Das Problem ist nicht, dass sie kein Geld verdient, sondern dass Papa keins hat. Denn sie würde sich ja einen Job suchen, wenn sie ein Auto und einen Führerschein hätte. Oder Florence, die auch auf der Gendarmerie arbeitet, keinen Mann und keine Kinder hat und sich jetzt freut, über die Festtage den im Wald aufgegriffenen Flüchtlingen aus Pakistan in der Gefängniszelle Sprachunterricht geben zu können, nachdem die Gäste zuvor das Klo der Polizeistation mit ihren verschluckten Kokainkapseln komplett verstopft hatten. Das war zwar eine riesige Sauerei, aber jetzt ist endlich Pulver im Dorf. – Weiße Weihnacht.

»How to Make a Killing«, Regie: Frank Dubosc, Frankreich 2024, 113 Min., Kinostart: heute

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