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Aus: Ausgabe vom 05.11.2025, Seite 1 / Titel
Globale Armut

Ungleichheit? Wo?

Der Notstand ist da: Ein Prozent der Erdbevölkerung besitzt fast die Hälfte des globalen Vermögens, 700 Millionen Menschen leben im Elend. Weltsozialgipfel will Massenarmut bekämpfen
Von Ralf Wurzbacher
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Für einige wenige wächst der Reichtum ins Unermessliche

Zum Auftakt des Weltsozialgipfels in Doha hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), António Guterres, die internationale Staatengemeinschaft zum entschlossenen Kampf gegen die wachsende Ungleichheit aufgerufen. Während nahezu 700 Millionen Menschen im Elend lebten, verfüge das reichste Prozent der Erdbevölkerung über fast die Hälfte des globalen Vermögens, erklärte der Portugiese am Dienstag in der katarischen Hauptstadt. Die Akzeptanz dieser Schieflage sei »gewissenlos«. Zu dem dreitägigen Treffen kommen rund 14.000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um Maßnahmen zur Beseitigung von Armut, zur Förderung menschenwürdiger Arbeit sowie zum sozialen Zusammenhalt durchzusetzen. Mit dabei ist im Namen der Bundesregierung Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), deren geplante Bürgergeldreform die soziale Spaltung in Deutschland weiter vertiefen wird.

Das World Summit for Social Development (WSSD) ist erst das zweite seiner Art nach der Premiere in Kopenhagen vor 30 Jahren. Es gibt offenbar Wichtigeres zu tun, verglichen etwa mit den jährlich abgehaltenen G7- und G20-Gipfeln, bei denen die führenden Industriestaaten die Ausbeutung des globalen Südens routinemäßig forcieren. Das Stelldichein des 20er Clubs Ende November in Johannesburg steht diesmal im Zeichen massiver Einschnitte bei der Entwicklungshilfe durch die großen Wirtschaftsnationen. Hierzulande wollen Union und SPD die humanitäre Hilfe um 1,2 Milliarden und die Entwicklungszusammenarbeit um knapp 941 Millionen Euro kürzen. Das betreffe »vor allem Kinder in den ärmsten Regionen der Welt – sie verlieren Schutz, Bildung und Zukunftschancen«, haben knapp 20 Organisationen in einem offenen Brief an Kanzler Friedrich Merz (CDU) gewarnt.

Schlecht steht es ebenso um die sogenannte UN-Agenda für nachhaltige und gerechte Gesellschaften. Zu den 17 Zielen zählen der Schutz des Planeten, weltweiter Frieden und die Abschaffung des globalen Hungers bis zum Jahr 2030. Aktuell wüten so viele Kriege wie lange nicht mehr, 120 Millionen Menschen sind auf der Flucht, über 640 Millionen leiden Hunger und fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist ohne soziale Sicherung. In Doha wird all das besprochen, aber das Verzagen ist praktisch programmiert. Ein schon im Vorfeld ausgehandeltes Abschlussdokument bleibe »deutlich hinter dem zurück, was nötig wäre«, monierte am Montag ein Bündnis aus fünf Entwicklungshilfeverbänden. Es brauche eine »kritische Ursachenanalyse, die auch historische, wirtschaftliche und politische Zusammenhänge und Verantwortlichkeiten berücksichtigt, sowie verbindliche Ziele und konkrete Zusagen«, äußerte Nicola Wiebe vom kirchlichen Hilfswerk »Brot für die Welt«. Erforderlich seien vor allem »Reformbemühungen für ein gerechtes internationales Wirtschafts- und Finanzsystem«, etwa Vorkehrungen gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung, eine Mindestbesteuerung von Konzernen und eine Reform der globalen Schuldenpolitik. All diese Punkte fehlen in der Erklärung.

Derweil haben sechs renommierte Ökonomen einen globalen Notstand bei der Verteilung von Wohlstand gegeißelt. »Die Welt hat erkannt, dass wir uns in einer Klimakrise befinden. Es ist an der Zeit, dass wir auch erkennen, dass wir uns in einer Ungleichheitskrise befinden«, heißt es in einem am Dienstag publik gewordenen Bericht unter Federführung des Wirtschaftsnobelpreisträgers Joseph Stiglitz. Empfohlen wird darin die Schaffung eines »Internationalen Gremiums«, das ähnlich dem Weltklimarat politische Entscheidungsträger und die internationale Gemeinschaft berät.

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