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Aus: Ausgabe vom 31.10.2025, Seite 15 / Feminismus
Sorgearbeit

Politik auf dem Rücken der Frauen

Sorgearbeit: Bundesregierung interessiert sich nicht für die mehrheitlich Betroffenen und kürzt munter weiter, während strukturelle Verbesserungen ausbleiben
Von Claudia Wrobel
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Warnstreik am »Equal Pay Day«: Beschäftigte sogenannter Frauenberufe im öffentlichen Dienst (Dortmund, 7.3.2025)

Der 29. Oktober ist international der Sorgearbeit und Assistenz gewidmet, und dieses Thema ins Zentrum zu rücken, ist nach wie vor bitter nötig. In Deutschland verschlechtern sich gerade die Bedingungen für Menschen, die sogenannte Care-Arbeit leisten; egal ob sie es bezahlt oder unbezahlt tun. Genau einmal kommt der Begriff Sorgearbeit im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vor. Und auch da nicht, um die Relevanz dieser wichtigen Arbeit zu würdigen oder die Rahmenbedingungen zu verbessern, sondern um die Vereinbarkeit von unbezahlter Sorge- und Erwerbsarbeit zu thematisieren. Zumindest kann man der amtierenden Bundesregierung nicht vorwerfen, falsche Erwartungen geweckt zu haben. Doch der von Friedrich Merz ausgerufene »Herbst der Reformen« wird die Situation sogar noch verschlechtern.

Die Bundesregierung denkt beispielsweise laut darüber nach, den Pflegegrad 1 einfach zu streichen. Und selbst wenn sich konkret dieser Vorschlag nicht durchsetzen wird, sondern die zwei Milliarden Euro Defizit in der Pflegeversicherung durch eine der anderen Kürzungen, die im Umlauf sind, ausgeglichen werden, ist eins klar: Eine Pflegereform wird kommen, und vor allem das Leben von Millionen von Frauen wird dadurch negativ beeinflusst werden. Sie sind es in deutlicher Mehrheit, die gerade in der Langzeitpflege arbeiten, und es sind Frauen, die unbezahlt ihre Eltern, Schwiegereltern, Kinder und Nachbarn pflegen. Außerdem sind sie auch deutlich öfter selbst auf Pflege angewiesen.

Diese Frauen werden auch bei weiteren Kürzungen in der ohnehin schon unterfinanzierten Pflege den Laden weiter am Laufen halten und sich nicht beklagen. So ist zumindest das Kalkül der Bundesregierung. Anders lässt sich kaum erklären, warum einzig Kürzungen in der Pflegeversicherung debattiert werden, aber niemals die Einnahmenseite in den Blick genommen wird, um das Defizit von zwei Milliarden Euro auszugleichen. Vermögende und Spitzenverdienende, mehrheitlich Männer, werden in der sozialen Pflegeversicherung geschont.

Und auch wenn die Kürzungen beim Bürgergeld in ihrer finanziellen Wirkung für den Bundeshaushalt bloße populistische Symbolpolitik sind, werden die Verschärfungen insbesondere für Frauen einschneidend sein. Studien weisen bereits jetzt darauf hin, dass sie seltener als Männer aktiv durch die Jobcenter in Lohnarbeit vermittelt werden. Diese strukturelle Diskriminierung wird voraussichtlich zunehmen, wenn der Druck auf die Bezieher der Leistung und auf die Jobcenter weiter wachsen wird. Mehr als ein Drittel der Alleinerziehenden – fast ausschließlich Frauen – ist beispielsweise auf Bürgergeld angewiesen. Die amtierende Symbolpolitik, gegen die sich in der SPD-Basis derzeit pflichtschuldig Protest regt, lenkt davon ab, was nicht nur die Staatskasse, sondern vor allem die betroffenen Frauen und Kinder entlasten – und was sie tatsächlich brauchen würden: Weiterbildungsmöglichkeiten, die den eigenen Bedürfnissen entsprechen, funktionierende Kinderbetreuung, die mehr bietet als die reine Beaufsichtigung der Kinder, und eine zielgenaue Arbeitsmarktintegration, die auch die Gleichstellung der Geschlechter als Zielmarke ernst nimmt.

Und nicht mal die Angleichung der Mütterrente wird wirklich eine deutliche Verbesserung bringen, auch wenn hier die Anerkennung von Sorgearbeit bereits im Namen steckt. Natürlich ist es richtig und überfällig, dass auch für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, drei statt wie bisher zweieinhalb Rentenpunkte angerechnet werden, auch wenn dies von der CSU vor allem durchgedrückt wurde, um das eigene konservative Klientel zu befriedigen. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass der Gender Pension Gap, also der geschlechterbedingte Unterschied in der Höhe der Altersbezüge, in Westdeutschland laut Deutscher Rentenversicherung bei 37 Prozent liegt. Diese kleine Veränderung, auch wenn sie für die einzelne eine überfällige Anerkennung ihrer unbezahlten Sorgearbeit ist, wird systematisch nichts an der Altersarmut, insbesondere von Frauen, ändern.

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