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Aus: Ausgabe vom 30.10.2025, Seite 6 / Ausland
Guatemala

Juristischer Putsch droht

Guatemala: Präsidentenpartei wieder unter Beschuss mit Ziel Wahlannullierung
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
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Er kennt seinen Gegner: Arévalo ruft seine Anhänger zum Widerstand auf (Guatemala-Stadt, 1.9.2023)

Der »Pakt der Korrupten« in Guatemala gibt nicht auf: Vergangenen Freitag erließ Richter Fredy Orellana eine Verfügung, die die Ergebnisse der Wahlen 2023 in Frage stellen könnte. Orellana, Teil des berüchtigten Paktes und politischer Gegenspieler des sozialdemokratischen Präsidenten Bernardo Arévalo, ordnete die »absolute Nichtigkeit« (nulidad absoluto) der Partei Semilla an. Zwar wurde das Movimiento Semilla bereits nach dem Wahlsieg von Arévalo wegen angeblicher falscher Unterstützerunterschriften suspendiert, damals hatte allerdings das Verfassungsgericht entschieden, dass der Wahlprozess davon unberührt ist. Mit der aktuellen Verfügung könnten sowohl das Amt des Staatspräsidenten samt Stellvertreterin als auch die 23 Parlamentsabgeordneten für Semilla in Frage stehen.

Vertreter von Semilla wandten sich an das Verfassungsgericht und verlangten, »den Kongress aufzufordern, gemäß seiner Pflicht zur Wahrung des demokratischen Staates jegliche Handlung zu unterlassen, die die von Semilla erlangten Wahlämter missachtet«. Die Verfügung von Orellana könnte weitreichende Konsequenzen haben, da die »absolute Nichtigkeit im Zivilsystem die Ungültigkeit einer Handlung oder eines Rechtsgeschäftes und deren vollständige Aufhebung bezweckt«, was bedeuten könnte, dass das Resultat der Wahlen für ungültig erklärt wird, hieß es in den Medien. Für Semilla ist dieser Schritt aber nicht rechtens, da ein »Strafrichter nicht befugt ist, die absolute Nichtigkeit einer politischen Organisation festzustellen«. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts steht noch aus.

Staatschef Arévalo reagierte politisch. In einer am Sonntag abend auf mehreren TV-Kanälen und online übertragenen Rede wandte er sich scharf gegen den juristischen Angriff: »Die kriminelle Allianz aus Drogenhändlern, Bandenmitgliedern und verbündeten Politikern will eine Rückkehr zu Autoritarismus, Korruption und Straffreiheit erreichen … ehrliche Bürger, Juristen, Journalisten und mutige Aktivisten wurden eingesperrt, gefoltert und ins Exil getrieben.« 2023 habe das mutige Volk von Guatemala den Putschversuch gestoppt. »Wir sind aber nicht allein, die Organisation Amerikanischer Staaten, die Europäische Union und Organisationen der Vereinten Nationen unterstützen Guatemala im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität.« Der Staatschef rief zu Protesten auf und beendete seine knapp zehnminütige Rede mit den Worten: »Unsere Stimme muss mit Kraft gehört werden, Nein zum Putsch, Nein zur Korruption, Ja zur Demokratie, Ja zur Freiheit, Ja zum Respekt zum souveränen Willen des Volkes von Guatemala.« Am Montag lehnte das Wahlgericht TSE als Reaktion auf die Vorgänge ab, Arévalos Wahl zu suspendieren, und betonte, dass er die Abstimmung gewonnen hat. Auf Antrag Guatemalas wird es an diesem Donnerstag eine außerordentliche Sitzung des ständigen Rates der OAS geben.

Der juristische Angriff kommt zu einer für die Regierung innenpolitisch kritischen Situation. Mitte Oktober war bei einer Kontrolle in einem Gefängnis festgestellt worden, dass 20 zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilte Mitglieder der Bande Barrio 18 offenbar vor Wochen unbemerkt aus dem Gefängnis geflohen waren, nach aktuellem Ermittlungsstand in Polizeiuniformen. Der Vorfall führte zum Rücktritt des Innenministers, der zuvor als engagierter Kämpfer gegen die organisierte Kriminalität in Erscheinung getreten war. Einige der Geflohenen wurden seitdem wieder verhaftet, vergangene Woche bat Guatemala eine Expertengruppe des FBI um Hilfe bei der Suche nach den Gefangenen. Zur gleichen Zeit wurde der Diebstahl größerer Mengen Waffen und Munition auf einem Luftwaffenstützpunkt im Petén im Norden des Landes bekannt. Am Sonntag verhaftete die Polizei vier Armeeangehörige wegen möglicher Tatbeteiligung.

Die extreme Rechte, beispielweise die zum Pakt der Korrupten gehörende »Stiftung gegen den Terrorismus«, versucht, beide Vorfälle auszuschlachten und die Regierung als unfähig für die innere Sicherheit darzustellen. Auch der Politiker Roberto Arzú griff Arévalo nach dem Gefängnisausbruch in zahlreichen Fernsehauftritten scharf an. Arzú vertritt rechte, neoliberale Positionen, steht aber in Opposition zum Pakt der Korrupten und war selbst bei den Wahlen 2023 ausgeschlossen worden.

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