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Aus: Ausgabe vom 27.10.2025, Seite 8 / Ansichten

Bombastjäger des Tages: Berliner SPD-Politiker

Von Hagen Bonn
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Da hat Rost angesetzt: Vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin

Die »Zeitenwende« wird übergriffig, will sagen, der propagandistische Nachrichtenbrei stülpt sich immer mehr ins Tatsächliche aus, wird materiell. Jetzt sollen deutschlandweit alle historischen Bauwerke auf den Prüfstand. Der Begriff »Bombast« steht im Raum. Die Herren Alexander Freier-Winterwerb und Andreas Geisel, SPD-Politiker im Berliner Abgeordnetenhaus, sagen: Das ist »geschichtsverzerrend«! Eine »kritische, demokratische und faktenbasierte Einordnung« des bombastischen Baukörpers muss her.

Herrje, sicher, der Kölner Dom ist Zeugnis des dunkelsten feudal-klerikalen Mittelalters. Ja, die Porta Nigra in Trier könnte man als Relikt antiker römischer Besatzung betrachten. Oder die Göltzschtalbrücke im Vogtland. Ist das eine architektonische Meisterleistung, ein Gigant der Ingenieurskunst, oder nur ein Beispiel des realkapitalistischen Raubbaus an der Natur? Allein das Baugerüst verbrauchte 23.000 Bäume. Ganz schlecht steht es um das Sophienpalais in Hamburg, ehemals Generalkommandozentrale der Naziwehrmacht. Jetzt hausen dort Millionäre, wahrscheinlich die Enkel der Generale. Der Berliner Tagesspiegel: »eine historisch-kritische Kommentierung« müsse erfolgen! Eine Hinweistafel etwa? »Als im Souterrain des Hauses Weihnachten 1940 die Heizung ausfiel, froren die Planer der Bombenangriffe auf London so stark, dass der Führer Glühwein kommen ließ.«

Was man sich bei der ganzen Diskussion fragen muss, wieso schert sich Berlin um den Bombast in Köln, Hamburg oder Trier? Ja, und da bitte ich um Entschuldigung. Es geht in der Tat gar nicht um die genannten Beispiele, es geht den beiden SPD-Genossen ausschließlich um das Sowjetische Ehrenmal in Berlin-Treptow, wo sie gar »stalinistischen Bombast« ausmachen. Hat noch jemand Fragen?

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Reinhard L. aus Frankfurt/Main (26. Oktober 2025 um 21:45 Uhr)
    In aller Bescheidenheit, aber das ist Unsinn, was der Autor über den Kölner Dom schreibt. Der ist in seiner heutigen Baugestalt 19. Jahrhundert; der mittelalterliche Originalbau ist irgendwann im 15. Jahrhundert eingeschlafen. Tut vielleicht nichts zur Sache, auch neugotisch kann schön sein, wie in Köln zu besichtigen. Aber etwas mehr Genauigkeit täte gut.

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