Lafarge vor Gericht
Von Karin Leukefeld
Auf der Anklagebank sitzen vier ehemalige Mitarbeiter des französischen Konzerns Lafarge, einem der größten Zementunternehmen der Welt. Der am 4. November in Paris beginnende Prozess wird als historisch gehandelt. Ort des Geschehens war Lafarges Werk in Dschalabija, in der nordsyrischen Provinz Aleppo. Angestrengt wurde das Verfahren von der französischen Nichtregierungsorganisation Sherpa und vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte, ECCHR.
Die ehemaligen Führungskräfte des Unternehmens waren verantwortlich für die Zementfabrik in Dschalabija und werden beschuldigt, international gelistete Terrororganisationen während des Syrien-Krieges (seit 2011) finanziert zu haben. Die Verhandlung an einem Pariser Strafgericht ist bis zum 16. Dezember angesetzt. ECCHR und Sherpa hatten das Verfahren 2016 wegen »Terrorfinanzierung« und »Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschheit« angestrengt. Im Namen von elf syrischen Mitarbeitern des Zementwerks wurde dem Unternehmen vorgeworfen, deren Sicherheit und Gesundheit durch die Geldzahlungen u. a. an den »Islamischen Staat im Irak und in der Levante« (ISIS) und an die 2012 in Syrien gegründete Nusra-Front, den Syrien-Ableger von Al-Qaida, gefährdet zu haben.
Der Teil des Antrags, in dem es um die Gefährdung der syrischen Arbeiter ging, war im Oktober 2024 vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen worden. Laut der Begründung habe die Schutzpflicht für die syrischen Mitarbeiter des Zementwerks keinen Bestand im französischen Recht. Allerdings würden die Ermittlungen wegen der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschheit fortgeführt, so die Vertreterinnen von ECCHR und Sherpa. Genannt wurden ausdrücklich die Verbrechen an der Volksgruppe der Jesiden durch den »Islamischen Staat«.
Laut Sherpa und ECCHR handelt es sich bei dem bevorstehenden Prozess um eine »historische Premiere für die französische Justiz«. Es werde die Finanzierung von Terrorismus geprüft und die Frage, »wie weit die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen für Handlungen in Kriegsgebieten reichen« könne. Die Vertreterinnen von ECCHR und Sherpa verwiesen auf die große Bedeutung des Falles, nach dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Baschar Al-Assad Anfang Dezember 2024. Syrer forderten »Gerechtigkeit und Rechenschaft für die Verbrechen aller Konfliktparteien (…) einschließlich der europäischen Wirtschaftsakteure«.
Der Zementgigant Lafarge hat eingeräumt, zwischen 2012 und 2014 Millionenzahlungen über Mittelsmänner an die oben genannten und weitere bewaffnete Gruppen geleistet zu haben, um die Produktion des Zementwerks aufrechterhalten zu können. Die Rede ist von rund 13 Millionen Euro, die in monatlichen Einzelbeträgen von bis zu 100.000 Euro gezahlt worden seien. Die Konzernführung hatte das französische Innenministerium 2014 vertraulich über eine »Vereinbarung mit dem Islamischen Staat/DAESH« informiert und die Zahlungen eingeräumt. AFP und französische Medien, darunter Le Monde, berichteten 2016 ausführlich über den Fall, der 2017 in einem Untersuchungsausschuss erörtert wurde.
Der Fall Lafarge habe damals für großes Aufsehen gesorgt, sagte E. S., der anonym bleiben wollte, auf telefonische Nachfrage von jW. Als Oppositioneller hatte er sich während des Krieges für die Vermittlung zwischen den Kriegsparteien, für Geiseln, Gefangene und Verschwundene eingesetzt. Lafarge sei nicht das einzige Unternehmen gewesen, das Schutzgeld an die bewaffneten Gruppen gezahlt habe. Verwundert äußerte sich E. S. über die »Scheinheiligkeit Frankreichs«, die ehemaligen Lafarge-Offiziellen wegen der Geldzahlungen an den »Islamischen Staat« vor Gericht zu stellen. »Gleichzeitig betrachtet man ja den Anführer einer Schwesterorganisation des Islamischen Staates heute als den syrischen Staatspräsidenten«, das könne er nicht nachvollziehen. Ahmed Al-Scharaa, der sich selbst als Interimspräsident eingesetzt hat, war wegen Al-Qaida-Zugehörigkeit im Irak inhaftiert und gründete 2012, nach seiner Freilassung, die Nusra-Front als Syrienvertretung des islamistischen Netzwerks.
Friedenspropaganda statt Kriegsspielzeug
Mit dem Winteraktionsabo bieten wir denen ein Einstiegsangebot, die genug haben von der Kriegspropaganda der Mainstreammedien und auf der Suche nach anderen Analysen und Hintergründen sind. Es eignet sich, um sich mit unserer marxistisch-orientierten Blattlinie vertraut zu machen und sich von der Qualität unserer journalistischen Arbeit zu überzeugen. Und mit einem Preis von 25 Euro ist es das ideale Präsent, um liebe Menschen im Umfeld mit 30 Tagen Friedenspropaganda zu beschenken.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
Middle East Images/IMAGO17.02.2025EU freut sich über HTS-Symbolpolitik
Muhammad Hamed/REUTERS22.01.2025Unter fremdem Einfluss
Irakli Gedenidze/REUTERS09.12.2024Schlägertrupps unterwegs
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
Paramilitärs erobern Al-Fascher
vom 27.10.2025 -
Israel schuldig gesprochen
vom 27.10.2025 -
»Burewestnik« vs. »Tomahawk«
vom 27.10.2025 -
Linke Präsidentin für Irland
vom 27.10.2025 -
PKK-Guerilla verlässt Türkei
vom 27.10.2025 -
»Die Reaktion war äußerst aggressiv«
vom 27.10.2025