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Aus: Ausgabe vom 25.10.2025, Seite 8 / Ansichten

Niedergangssymbol des Tages: Freiheitsglocke

Von Daniel Bratanovic
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Da kann der Glöckner vom Schöneberger Rathaus noch so oft läuten: »Die Reu’ ist kurz, der Wahn ist lang ...«

»Ich verspreche, jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten mögen.« Ding, dong, hier spricht der RIAS. Zum pathetischen Gelöbnis, das mit kurzer Unterbrechung jeden Sonntag über den Äther geht, dengelt und gängelt die Glocke – seit 75 Jahren. Nicht irgendeine, sondern die Freiheitsglocke, das »wichtigste Freiheitssymbol des Berliner Westens«, wie jetzt der aus dem Sender Freies Berlin hervorgegangene RBB zum Jubiläum seinen Hörern bescheidbimmelt. Das Ritual hat den Kalten Krieg überdauert, denn der Gegner der Freiheit sind noch immer viele, und immer noch oder schon wieder stehen sie im Osten. »Dass die zähe Glockenspeise fließe nach der rechten Weise.«

Zum Mythos des freiheitlichen Glockenspiels gehört, dass die Westberliner das zehn Tonnen schwere Ding, das im Schöneberger Rathaus hängt, einer Initiative selbstloser und freiheitsliebender Bürger der USA zu verdanken habe. Der RBB: »Die Freiheitsglocke war ein Geschenk von 16 Millionen US-Amerikanerinnen und -Amerikanern, die nach dem Krieg für sie spendeten.« Die Wahrheit, die im Kampf für die Freiheit und also gegen den Kommunismus im Zweifel hintan stehen muss, besagt, dass die ganze Nummer von Anfang bis Ende von der CIA orchestriert worden ist. »Den schlechten Mann muss man verachten, der nie bedacht, was er vollbringt.«

Und das muss man der Behörde in Langley schließlich lassen: In Sachen Soft Power Skills hat denen lange keiner etwas vorgemacht. Diese Zeiten allerdings scheinen passé, die bürgerliche Gesellschaft im Westen Berlins, Europas, des Planeten ist an ihrem eigenen Leitbegriff irre geworden, die Freiheit, die sie zu verteidigen vorgibt, untergräbt sie mit gleicher Tat. Da kann der Glöckner vom Schöneberger Rathaus noch so oft läuten. »Die Reu’ ist kurz, der Wahn ist lang.«

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