Tesla gegen die rote Gefahr
Von Jessica Reisner und Elmar Wigand
Zwei Quizfragen zum Einstieg: A) Was haben Amazon und Tesla gemein? B) Und was hat Elon Musk mit Henry Ford gemein? A) Beide Techgiganten und Gamechanger verhandeln prinzipiell nicht mit Gewerkschaften und behaupten dreist, dies sei ihr gutes Recht. B) Beide sind bzw. waren erklärte Faschisten. Über die sogenannte Firmenphilosophie schleicht sich derzeit ein »Recht auf ein bisschen Faschismus« in die bürgerliche Presse, etwa in die Berichterstattung der FAZ über den bevorstehenden Showdown zwischen Tesla und der IG Metall am Standort Grünheide bei der Betriebsratswahl 2026. Stefan Paravicini zitiert am 14. Oktober den Standortleiter André Thierig: »Wir haben noch nie mit der IG Metall verhandelt und werden das auch in Zukunft nicht tun.« – »Dass wir nicht mit Gewerkschaften zusammenarbeiten, ist eine Position, die der Konzern weltweit vertritt.« Paravacini scheint das ganz normal zu finden, er schreibt nonchalant weiter: »Das Nichtverhältnis, das Musk zu Gewerkschaften pflegt und zur Konzernphilosophie erhoben hat, ist bekannt.«
Aber müssen wir gleich mit der Faschismuskeule kommen? Vielleicht nicht mit der Keule, eher mit dem Skalpell. Es gilt, die Argumentation sauber zu sezieren. Prinzipielle Feindschaft gegenüber Gewerkschaften ist ein notwendiges Kriterium für Faschismus. Die Zerschlagung unabhängiger Gewerkschaften ist stets ein erstes Ziel. Ob in Spanien, Südafrika, Chile oder der Türkei. In Deutschland war es drei Monate nach der Machtübergabe an die NSDAP soweit, und es gibt sogar einen direkten Link zum Automobil. Die Gewerkschaften wurden am 2. Mai 1933 zerschlagen, aus ihren konfiszierten Kassen wurde das »Kraft durch Freude«-Werk, heute Volkswagen, aufgebaut und die dazugehörige Stadt Wolfsburg aus dem Boden gestampft – nach dem Vorbild von River Rouge, der Riesenfabrik Henry Fords in Detroit. Gewerkschaftsfeindlichkeit ist andererseits kein hinreichendes Kriterium für Faschismus.
Kleiner Schlenker zum Fußball: Ein Freund bemerkte neulich die Weinerlichkeit der Faschisten, die sich wegen ihrer Meinung diskriminiert fühlen. Es ging um die Frage, ob und wie wir einen erklärten AfD-Anhänger aus unserem 1.-FC-Köln-Fanklub ausschließen sollten. Damit er und sein Mitläufer eine Minderheit bleiben, keine Gewöhnung eintritt und sie aufhören, uns den Spaß zu verderben. Aber dann geht das Geheule los! Leute fühlen sich diskriminiert, weil sie andere nicht diskriminieren dürfen. Und bei manchen, die »unpolitisch« sind, verfängt dieses Theater auch noch.
Wir erwarten dieses Geheule in Zukunft auch von Tesla. Immerhin ist die IG Metall schon so stark, dass sich die Werksleitung gegenüber der Belegschaft intensiv mit ihren Forderungen auseinandersetzen muss. Eine diskursive Auseinandersetzung bedeutet die Aufwertung zum satisfaktionsfähigen Gegner.
Jan Otto, der neue IG-Metall-Boss von Berlin, Brandenburg und Sachsen, hat einen Tarifvertrag mit Tesla zur Chefsache erklärt. Da hat er sich was vorgenommen: Die Gewerkschaftsfeindlichkeit von Tesla ist ein ideologisches Dogma, oder gar ein antikommunistischer Fetisch. Hier geht es nicht mehr um wirtschaftliche Rationalität. Als reichster Mann der Welt verfügt Elon Musk über die Ressourcen, um sein größenwahnsinniges Weltbild erbittert zu verteidigen. Aber womöglich steht auch dieser Riese nur auf tönernen Füßen.
Unsere Autoren gehören zur »Aktion gegen Arbeitsunrecht« und moderieren den Podcast »Arbeitsunrecht FM«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (23. Oktober 2025 um 14:57 Uhr)IG Metall als »rote Gefahr«? Das ist schon etwas leicht weit hergeholt. Gelbe Gewerkschaften mögen die Unternehmer seit jeher lieber als Einheitsgewerkschaften. Die IGM und ihre Mitglieder haben bei Tesla eine Chance mehr, Klassenbewusstsein zu lernen.
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