Offener Brief: Verschärfungen beim Bürgergeld stoppen, Wohnungslosigkeit verhindern

Mehrere Sozialverbände, darunter der Paritätische Gesamtverband und der AWO- Bundesverband, außerdem die Gewerkschaft Verdi haben in einem offenen Brief vom Dienstag an die Abgeordneten des deutschen Bundestages vor steigender Obdachlosigkeit infolge der geplanten Bürgergeldreform gewarnt.
Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
wir wenden uns mit diesem offenen Brief an Sie, weil wir in großer Sorge sind. Wir befürchten, dass die Pläne zu Verschärfungen bei den Kosten der Unterkunft (KdU) zu einer Zunahme von Wohnungs- und Obdachlosigkeit führen werden.
Die aktuellen Verabredungen des Koalitionsausschusses sehen die Option vor, »alle Leistungen einschließlich Kosten der Unterkunft komplett einzustellen«. Damit wird das Dach über dem Kopf – ein elementares Gut menschlicher Existenz – zum Druckmittel gegenüber einkommensarmen Menschen und ihren Familien. Diese Regelung öffnet Wohnungs- und Obdachlosigkeit unter Hilfebedürftigen und ihren Familienangehörigen Tür und Tor.
Besonders gravierend ist, dass die Einstellung der KdU nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Familien treffen wird – darunter Kinder, Schwangere, pflegebedürftige Angehörige sowie Menschen mit Behinderungen, die bei ihren Eltern leben. Durch diese Regelung entfällt zudem die bisherige Sicherheit für Vermietende, dass Mieten von Bürgergeld-Beziehenden zuverlässig übernommen werden können. Das erschwert die Wohnungssuche für Leistungsberechtigte.
Auflaufende Mietschulden und drohende Wohnungslosigkeit dürfen kein Sanktionsinstrument sein. Vielmehr muss Wohnungslosigkeit unter allen Umständen verhindert werden. Der Wohnungsmarkt ist vielerorts angespannt. Wer seine Wohnung verliert, findet kaum wieder ein bezahlbares Zuhause – für Bürgergeld-Berechtigte gilt das in besonderem Maße.
Wohnungslosigkeit ist eine der drastischsten Ausprägungen von Armut – sie steht für den Verlust von Sicherheit, Würde und Teilhabe. Die geplante Regelung würde diesen Trend verstärken (...).
Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden. Die aktuellen Pläne jedoch konterkarieren dieses Ziel auf dramatische Weise. Die Prävention von Wohnungsverlusten ist erwiesenermaßen günstiger, nachhaltiger und humaner als die nachträgliche Bewältigung von Wohnungslosigkeit.
Jeder Euro, der so bei den KdU eingespart würde, verursacht ein Vielfaches an Kosten – für Notunterkünfte, Jugendhilfe, Gesundheitsversorgung und soziale Folgeschäden. Wir appellieren an Sie als gewählte Abgeordnete: Wirken Sie mit allen Mitteln darauf hin, dass die geplanten Verschärfungen (...) nicht Gesetzeskraft erlangen. Stimmen Sie gegen jede Gesetzesänderung, die eine vollständige Einstellung dieser Leistungen ermöglicht und zwangsläufig zu Obdachlosigkeit führt. Setzen Sie ein klares Zeichen: Wohnungslosigkeit darf kein politisches Druckmittel sein.
Unterzeichnende:
Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland
AWO-Bundesverband
Der Paritätische Gesamtverband
Deutscher Mieterbund
Diakonie Deutschland
Sozialverband Deutschland SoVD
Sozialverband VdK Deutschland
Verdi – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Volkssolidarität
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