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Aus: Ausgabe vom 21.10.2025, Seite 8 / Ansichten

Heldenstadt des Tages: Prag

Von Felix Bartels
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Die Scooter kommen und gehen. Jan Hus bleibt

Im düstern Jahr 2010, als Erich Däniken noch glaubte, alsbald werde mit dem Ende des Maya-Kalenders auch gleich die ganze Welt in den Sack hauen, kam Jimi Heselden unvermittelt zu Tode. Unweit seines Anwesens im englischen West Yorkshire verlor er die Kontrolle über einen Segway und stürzte in den River Wharfe. Ein traurig gewöhnlicher Vorfall, denn die Welt, in der er passierte, ist gewöhnlich traurig. Heselden allerdings war nicht irgendwer, er war der CEO von Segway Inc.

Mit solchen Anekdoten können Bolt und Lime nicht dienen. Gleichwohl sehen die marktführenden Anbieter der via App buchbaren E-Scooter, die im Erscheinungsbild europäischer Großstädte mittlerweile selbst den Tauben den Rang ablaufen, finsteren Zeiten entgegen. Die erste Metropole des Kontinents leistet Widerstand: Prag. Die Stadt der goldenen Dächer. Bekannt für seinen Frühling, seine Nachtclubs und Fensterstürze. Wo Kafka schrieb, Mozart nächtigte und die Moldau symphonisch ihre Wellen schlägt. Wo Sparta Meisterschaft um Meisterschaft holte. Und all das ohne E-Scooter. Dort hat der Stadtrat am Montag beschlossen, die E-Roller von den Straßen und Gehwegen zu bannen. Allerdings nicht aus ästhetischen Gründen, obgleich E-Scooter-Fahrer aufgrund der eng gepressten Beinstellung stets aussehen, als müssten sie mal ganz dringend nach Hause. Und ebensowenig deswegen, weil die abgestellten Roller, die überall stehen könnten, stets die Fahrradständer blockieren. Der Grund sei die Verkehrssicherheit.

Dümmer als Rad- und Autofahrer verhalten sich E-Scooter-Fahrende indessen kaum. Nicht, weil sie das nicht versucht hätten, sondern weil das gar nicht geht. Mit Rücksicht allerdings auf die an Fahrzeugen erstickenden Städte mag man sich eines alten Witzes erinnern: Was sind 50 Inkassoanwälte auf dem Meeresgrund? Ein Anfang.

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