Krieg der Sieger
Von Knut Mellenthin
Am 26. Juni wandte sich Ajatollah Sejed Ali Khamenei zum ersten Mal nach dem Zwölftagekrieg mit einer Ansprache im staatlichen Fernsehen Irans an die Bevölkerung. Einen Tag zuvor hatte US-Präsident Donald Trump eine Waffenruhe verkündet. Der »Revolutionsführer« gab in seiner Rede die offizielle Bewertung der militärischen Konfrontation vor. Er richtete »Glückwünsche an die große iranische Nation« und rief den »Sieg über das schwindlerische zionistische Regime« aus, das »unter den Schlägen der Islamischen Republik praktisch niedergeschlagen und zerschmettert« worden sei. Mit Gottes Hilfe hätten es die iranischen Streitkräfte geschafft, die »hochentwickelte, mehrschichtige Verteidigung des Feindes zu durchbrechen und viele ihrer militärischen und städtischen Gebiete durch den Druck von Irans Raketen und machtvollen Angriffen dem Erdboden gleich zu machen«.
Khamenei gratulierte der Nation auch »zum Sieg über das US-Regime«. Die USA seien für ihre »unprovozierte Aggression gegen die iranischen Nuklearanlagen« mit einer »massiven Vergeltung in Form von Raketenschlägen gegen ihre größte Militärbasis in Westasien« bestraft worden; gemeint ist die Al Udeid Air Base in Katar, die Iran am 23. Juni mit ballistischen Raketen angegriffen hatte. Die USA seien aus der Angst, dass »das zionistische Regime vollständig zerstört worden wäre«, direkt in den Krieg eingetreten, so Khamenei: »Sie griffen ein, um es zu retten, aber erreichten nichts«. Mit Blick auf künftige militärische Konfrontationen gab der »Revolutionsführer« sich zuversichtlich: »Wenn die Aggression wiederholt wird, wird der Feind zweifellos einen hohen Preis zahlen«.
Neben der Islamischen Republik erklärte auch Israel sich zum einzigen Sieger des Krieges. Verteidigungsminister Israel Katz und Stabschef Eyal Zamir äußerten sich am 4. Juli in separaten Statements. Katz sprach von »bemerkenswerten Erfolgen beim Blockieren des iranischen Atomprogramms und seiner Raketenproduktion – der zwei Bedrohungen, die die größte Gefahr für Israel darstellen«. Zugleich mahnte er, dass sich die israelischen Streitkräfte (IDF, Israel Defense Forces) weiter anstrengen müssten, um die Luftüberlegenheit gegenüber Teheran sicherzustellen und Iran am Wiederaufbau seiner Nuklearkapazitäten zu hindern. Zamir bezeichnete die Operation »Rising Lion« – so der offizielle Name des Krieges von israelischer Seite – als »Meilenstein in der Kampagne für die Sicherheit des Staates Israel«. Sie habe erneut »die Stärke der IDF, die Tiefe ihrer operativen Fähigkeiten und die Entschlossenheit des Volks von Israel, seine Existenz zu verteidigen«, gezeigt. Der Operation sei eine jahrelange Planung vorhergegangen. Man habe sich intensiv vorbereitet.
Teherans Selbstüberschätzung
Zamir wies damit auf einen entscheidenden Aspekt der Operation hin: Alle israelischen Regierungen hatten seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre den »geistigen Boden« für den Angriff auf das iranische Atomprogramm geschaffen und diesen praktisch vorbereitet. 2025 werde »das Jahr des Krieges gegen Iran«, hatte Zamir bereits am 5. März in seiner Antrittsrede als Stabschef der Armee völlig offen verkündet. Die Entscheidung war schon im Februar getroffen worden. US-Präsident Donald Trump hatte lediglich um Aufschub gebeten, um die Option einer »Verhandlungslösung« mit Teheran auszuloten – oder ad absurdum zu führen.
Iran zeigte sich trotz der klaren Ansage schlecht vorbereitet. 30 hochrangige militärische Kommandeure und mehr als ein Dutzend Atomwissenschaftler in Schlüsselstellungen wurden in der ersten Phase des Krieges durch gezielte Angriffe getötet. Statt die Nacht in Schutzräumen zu verbringen, hatten die meisten Opfer zu Hause bei ihren Familienanghörigen geschlafen, von denen viele mit ihnen starben.
Die schlechte Vorbereitung ist letzten Ende wohl auf iranische Selbstüberschätzung und Leichtfertigkeit zurückzuführen. Jahrelang hatte vor allem die militärische Führung behauptet, das Land sei militärisch so stark, dass niemand einen Angriff wagen werde. Noch heute zeigt sich diese Tendenz anhand der Behauptung, man habe den Krieg gewonnen. Verteidigungsminister Aziz Nasirzadeh wies am 4. Oktober die Annahme, es könnten seitens Israels und der USA erneut Angriffe drohen, als »Teil einer psychologischen Operation« zurück, die »dazu dienen soll, Gesellschaft und Wirtschaft zu destabilisieren«, und forderte die Bevölkerung auf, »sich durch solche Rhetorik nicht von ihrem normalen Leben ablenken zu lassen«. »Das ständige Spekulieren über einen bevorstehenden Angriff zielt darauf ab, Angst zu schaffen, die Inflation anzuheizen und die Wirtschaftsstabilität zu stören«.
Die Führung der Islamischen Republik betrachtet das kontinuierliche Wiederholen selbstsicherer Einschätzungen der Lage offenbar als entscheidendes Mittel, der Angst entgegenzuwirken. Vizepräsident Mohammad Reza Aref zum Beispiel wurde am 9. Oktober mit der Aussage zitiert: »Heute hat der Feind gelernt, dass er um einen Waffenstillstand betteln und Botschaften schicken muss, wenn er angreift«. Und der Stabschef der Streitkräfte, Abdolrahim Musawi, hatte bereits am 7. August gedroht, Irans Antwort auf neue Aggressionsakte werde »noch zerschmetternder« sein als im Juni. Iran habe gegen künftige Angriffe »neue Überraschungen auf Lager«. Die »Selbstbeschränkung«, die Iran im Juni gezeigt habe, werde man sich künftig nicht mehr auferlegen.
Raketen im Visier
Nach israelischen Angaben schossen die iranischen Streitkräfte während des Krieges 530 ballistische Raketen und 1.100 Drohnen in Richtung Israel ab. Von den relativ langsam fliegenden, während längerer Flüge leicht zu verfolgenden Drohnen habe nur eine einzige israelisches Territorium erreicht. Mehr als 50 Raketen hätten die Luftabwehrsysteme überwunden und seien in Israel eingeschlagen, davon 36 in bewohnten Gebieten. 28 Menschen seien bei Treffern getötet worden, darunter nur ein einziger Soldat, der seine Familie besuchte. 2.300 Wohnungen in 240 Gebäuden seien zerstört oder beschädigt worden, mehr als 13.000 Israelis hätten ihr Heim verloren. Am 19. Juni beschuldigte Verteidigungsminister Israel Katz den Iran, »absichtlich auf Krankenhäuser und Wohngebäude zu schießen«, nachdem ein Hospital in Beerscheba getroffen worden war. 40 Menschen wurden dabei nach offiziellen Angaben verletzt. Katz warf dem Iran in diesem Zusammenhang »schwerste Kriegsverbrechen« vor.
Unter Berufung auf anonyme Informanten beim Militär verbreiteten israelische Medien, dass die Gesamtzahl der ballistischen Raketen Irans zu Beginn des Junikrieges auf ungefähr 2.000 bis 2.500 geschätzt wurde. Das Land habe sich aber »schnell zu einer Massenproduktionsstrategie hinbewegt«, mit der Perspektive eines Wachstums auf 8.000 oder sogar 20.000 »in den nächsten paar Jahren«. Diese Entwicklung könne sogar die israelische, durch US-amerikanische Systeme verstärkte Luftabwehr überfordern, zitierte die Jerusalem Post am 4. Juli einen Vertreter der israelischen Streitkräfte anlässlich einer Pressekonferenz. »Selbst mit unseren eindrucksvollen Abwehrsystemen kann man sich nicht gegen 10.000 ballistische Raketen verteidigen«, soll der nicht namentlich genannte Offizier gewarnt haben.
Das erklärt, warum sich die israelische Luftwaffe während des Krieges neben der Zerstörung der auf insgesamt 400 geschätzten iranischen Raketenabschusseinrichtungen – von denen mehr als die Hälfte ausgeschaltet worden sein sollen – darauf konzentrierte, die offenbar dezentral verteilten mehr als 30 Raketenproduktionsstätten anzugreifen. Dass Iran während des Krieges erstaunlich wenige Raketen abschoss – nicht mehr als ein Fünftel seines Arsenals –, erklären israelische Militärs mit der planmäßigen Zerstörung der Abschussanlagen. Es sei »ein Engpass in ihren Raketenoperationen« entstanden, kommentierte der von der Jerusalem Post zitierte Offizier.
Zu diesem Thema machte Verteidigungsminister Israel Katz am 7. Juli – wenige Stunden vor dem erstem Zusammentreffen von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Donald Trump nach dem Junikrieg – eine interessante Bemerkung, die auf den ersten Blick paradox erscheint. Katz äußerte, Israel müsse sich aktuell mehr Sorgen machen über Irans Eifer, seine Fähigkeit zur Bedrohung des jüdischen Staates mit ballistischen Raketen wiederherzustellen als über ein Comeback des iranischen Atomprogramms. Dieses sei »tödlich verwundet«, und es sei nicht einmal klar, ob Teheran sich angesichts der Vielzahl von Schwierigkeiten für dessen Wiederaufnahme entscheiden werde.
Iran hat nach eigenen Aussagen die Reichweite seiner Raketen bisher auf 2.000 Kilometer beschränkt. Spätestens nach dem Zwölftagekrieg steht diese Entscheidung auf dem Prüfstand. Die Nachrichtenagentur Fars berichtete am 1. Oktober, der frühere Chef der Revolutionsgarden, Mohsen Rezai, habe unbestätigte Forderungen der Gegner Irans aus jüngster Zeit zurückgewiesen, die Flugfähigkeit seiner Raketen auf maximal 400 Kilometer zu reduzieren. Iran werde im Gegenteil deren Reichweite so weit erhöhen, wie es als notwendig erscheine, erklärte Rezai.
Netanjahu warnte denn auch am 6. Oktober, dass Iran Interkontinentalraketen entwickle, die New York, Boston, Washington oder Miami unter nukleares Feuer nehmen könnten. Israel leiste großartige Arbeit, indem es diese Gefahr von den USA fernhalte, warb der Ministerpräsident in einem Interview mit Trump-Unterstützer Ben Shapiro, dem Chefredakteur der Website The Daily Wire.
Zielscheibe Wissenschaft?
Die umfangreichsten und schwerwiegendsten Schäden in Israel durch iranische Raketen entstanden am 15. Juni am international renommierten Weizmann-Institut in Rechovot, einem südlichen Vorort von Tel Aviv. Infolge von zwei Raketentreffern wurden große Teile der Forschungsanlage zerstört. Die Schätzungen der materiellen Schäden liegen zwischen 400 und 600 Millionen Dollar. Dabei sind die Kosten für die Wiederbeschaffung der Laborausrüstungen noch nicht mitgerechnet. Zerstörte Sammlungen von Bakterien- und DNA-Proben werden als unersetzbar eingestuft. Menschen kamen bei dem Angriff nicht zu Schaden: In Erwartung iranischer Gegenschläge war der Lehr- und Forschungsbetrieb am Institut mit Beginn des Krieges eingestellt worden. Die auf dem Campus wohnenden Studenten, Wissenschaftler und Gastforscher waren rechtzeitig evakuiert und in Hotels untergebracht worden.
Nach offiziellen Angaben wurden im Institutsbereich 112 Gebäude beschädigt. In 60 davon waren Labore untergebracht, 52 wurden als Wohngebäude für Studierende und Universitätspersonal genutzt. Zwei Gebäude wurden durch direkte Treffer total zerstört: Das eine beherbergte die Krebsforschung des Weizmann-Institutes, das andere stand kurz vor der Fertigstellung und sollte der Erforschung und Entwicklung neuer chemischen Materialien dienen. Die Beschreibungen des Instituts deuten darauf hin, dass es sich um vielfältig einsetzbare Stoffe handelt.
In israelischen und internationalen Berichten über die Folgen der Raketenvolltreffer im Weizmann-Institut wird die nachhaltige Störung der Krebsforschung ins Zentrum gestellt. Daniel Chaimowitsch, Präsident der Ben-Gurion-Universität in Beerscheba, klagt: »Wir werden nie erfahren, welche potentielle Behandlung oder Kur verloren gegangen ist. Die Kosten für die menschliche Gesundheit sind unermesslich«. Der Sender 3sat sendete am 8. Juli einen Beitrag unter dem Titel »Zielscheibe Wissenschaft: Angriff auf Forschung im Krieg«.
»Angriff auf Kriegsforschung« wäre aber mindestens ebenso zutreffend gewesen. Insbesondere haben Arbeiten auf dem Gebiet der sogenannten künstlichen Intelligenz, ein wichtiges Arbeitsfeld des Weizmann-Instituts, von vornherein keinen ausschließlich zivilen Charakter. Mit der für den heutigen Universitätsbetrieb typischen Verknüpfung und Vernetzung vielfältiger Dienstleistungen kann das Weizmann-Institut nicht als geschützte zivile Einrichtung im Sinne des internationalen Kriegsrechts gelten. In der Tageszeitung Times of Israel hieß es am 19. Juni: »Wie andere Universitäten in Israel hat Weizmann Verbindungen zur Militärindustrie. (…) Im Oktober 2024 kündigte Weizmann eine Zusammenarbeit mit dem militärtechnologischen Unternehmen Elbit an, um ›bahnbrechende bioinspirierte Stoffe für Verteidigungszwecke‹ zu entwickeln«. Eine Arbeitsgruppe berichtete am 5. Juli 2023 auf den Seiten des Instituts über eine »wissenschaftliche Brainstorming-Sitzung« mit Vertretern des Rüstungsunternehmens: »In den letzten Monaten haben wir mit dem Elbit-Team diskutiert, wie sich wissenschaftliche Innovationen integrieren lassen, um gemeinsame Entwicklungen zu beschleunigen.«
Am 20. Juni teilte das israelische Ölverarbeitungsunternehmen Bazan Group mit, dass alle Arbeiten seiner Raffinerie in der Bucht von Haifa nach einem direkten iranischen Raketenschlag am frühen Morgen eingestellt worden seien. Das dort gelegene Kraftwerk, das einen Teil des Wasserdampfs und der Elektrizität für den Betrieb der Anlagen der Gruppe produziert, wurde bei dem Angriff schwer beschädigt. Die Rakete schlug in der Nähe eines Hochhauses ein, das bei der Explosion ebenfalls schwer beschädigt wurde. Ministerien, die dort Büros gehabt hatten – darunter das Innen-, Finanz- und Wirtschaftsministerium – wurden evakuiert. Das Gebäude musste danach wegen Einsturzgefahr gesperrt werden. Bei dem Angriff wurden auch Dutzende von Autos, Geschäfte und Büros zerstört oder beschädigt. Drei Menschen starben unter den Trümmern, 55 erlitten Verletzungen. Bereits bei einem früheren iranischen Raketenschlag am 15. Juni waren Pipelines und andere Verbindungsleitungen in Brand geraten.
Die britische Tageszeitung The Telegraph berichtete am 5. Juli, dass während des Zwölftagekrieges fünf israelische Militärstützpunkte von insgesamt sechs iranischen Raketen getroffen worden seien. Das war bis dahin nicht bekannt gewesen. Das Blatt berief sich auf Satellitendaten, die von der Oregon State University zugänglich gemacht wurden, und wies darauf hin, dass die streng gehandhabte und während des Krieges noch verschärfte israelische Militärzensur in einigen Fällen das Bekanntwerden von Schäden durch feindliche Angriffe an »sensiblen«, als »strategisch« eingestuften Orten verhindert oder verzögert habe. Konkret erwähnte der Telegraph den Luftwaffenstützpunkt Tel Nof, den Aufklärungsstützpunkt Gilot und die Militäranlage Camp Zipporit, die die Zeitung als Produktionsstätte von Waffen und Panzerungen bezeichnete.
Um zwei Jahre zurückgeworfen
Von den drei zentralen Produktionsstätten des iranischen Atomprogramms, gegen die sich die Angriffe der US-Streitkräfte am 22. Juni richteten, sei nur eine Anlage, die in Fordo, erheblich beschädigt worden, während die Schäden in Natanz und Isfahan weniger umfangreich seien, hieß es in ersten Einschätzungen, auf die NBC News am 17. Juli Bezug nahm. Neue Erkenntnisse sind in der seither vergangenen Zeit nicht hinzugekommen. In Fordo und Natanz wurde Uran angereichert, während in Isfahan ein festes Uranprodukt in Gas umgewandelt wurde, das mit Hilfe von Zentrifugen angereichert werden kann.
Inzwischen haben sich die Militärwissenschaftler der USA auf eine grobe Schätzung geeinigt, dass das iranische Atomprogramm durch die Angriffe um bis zu zwei Jahre zurückgeworfen worden sei. Zuvor hatte es geheißen, Iran könne in 15 Tagen genug waffenfähiges Uran für eine Bombe herstellen und sein Vorrat an 60prozentig angereichertem Uran könne bei Fortsetzung der Anreicherung bis zur Waffenfähigkeit Material für neun oder zehn Nuklearwaffen ergeben. Dazu wäre Iran nun, nach Einschätzung des Pentagons, nicht mehr in der Lage, falls es sich überhaupt dafür entscheiden würde, weil die 18.000 Zentrifugen, mit denen die Anreicherung in Fordo und Natanz betrieben wurde, komplett zerstört oder irreparabel beschädigt worden seien. Potentielle Versuche Irans, die Anreicherung an den alten oder an neuen Standorten wieder in Gang zu bringen, werden in Israel und den USA als einer von mehreren Gründen für eine Wiederaufnahme der Angriffe diskutiert.
Das hoch angereicherte Uran (HEU) mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent ist das brisanteste Konfliktthema. Zunächst gab es Spekulationen, dass es den Iranern gelungen sein könnte, dieses Material oder wenigstens einen großen Teil davon vor Beginn der Angriffe an unbekannten Orten zu verstecken. Inzwischen besteht auf allen Seiten weitgehende Übereinstimmung darin, dass das Material wahrscheinlich nicht bewegt wurde, aber schwer zugänglich ist.
Vor dem Krieg hatte die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) die Menge des hoch angereichten Urans mit 408,6 Kilogramm (Stand 17. Mai) angegeben. Im jüngsten Bericht der Behörde vom 3. September ist von 440,9 Kilogramm die Rede. Dieses zu lokalisieren und dessen Status zu kennen, sei »eine Priorität«, heißt es in dem Bericht. Gemäß dem mit dem Atomwaffensperrvertrag verbundenen Safeguards Agreement müssten die Bestände an HEU einmal im Monat von der IAEA kontrolliert werden. Die Behörde habe aber seit mehr als zweieinhalb Monaten keinen Zugang zu diesem Material gehabt. Das sei »ein Gegenstand ernster Sorge«. Die Verifizierung sei »überfällig«. Dass dafür nicht Iran, sondern die Militäroperationen Israels und der USA verantwortlich sind, wird von IAEA-Chef Rafael Grossi, der sich weigert, diese Aggression zu verurteilen, hartnäckig ignoriert.
Irans Außenminister Abbas Araghtschi teilte am 11. September im staatlichen Fernsehen mit, das gesamte Nuklearmaterial unterschiedlicher Anreicherungsstufen liege seit den Luftangriffen verschüttet unter den Trümmern der Atomanlagen. Ob dieses Material zugänglich sei und in welchem Zustand es sich befinde, werde gegenwärtig von der nationalen Atomenergiebehörde Irans geprüft. Nach Abschluss der Untersuchung werde der Oberste Nationale Sicherheitsrat unter Berücksichtigung der iranischen Sicherheitsinteressen über weitere Aktionen entscheiden. Seither gab es aus Teheran keine neuen Informationen zu diesem Thema.
Der nächste Angriff
Um über die Einschätzung der Kriegsergebnisse und das weitere Vorgehen zu beraten, hielt sich Netanjahu vom 7. bis zum 10. Juli in Washington auf. Bei einer Pressekonferenz, in deren Zentrum die Verhandlungen mit der Hamas über einen Gefangenenaustausch und die Freilassung der israelischen Geiseln standen, kam er kurz auch auf die unterstellte nukleare Bedrohung durch die Islamische Republik zu sprechen: Sollte es sich als möglich erweisen, diese Gefahr innerhalb von 60 Verhandlungstagen zwischen den USA und Iran zu beseitigen, so wäre das gut. »Aber wenn das nicht erreicht wird, wird es auf andere Weise erreicht werden.«
Netanjahus Besuch in Washington war, wie stets, eine Reise seines wichtigsten Beraters, des Ministers für Strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, in die US-Hauptstadt vorausgegangen. Die Nachrichtenagentur Axios berichtete am 8. Juli unter Berufung auf Insider, Dermer gehe nach Treffen mit Vizepräsident James D. Vance, Außenminister Marco Rubio und Trumps Beauftragtem für den Nahen Osten, Steve Witkoff, davon aus, dass das Weiße Haus neue israelische Militärschläge unter bestimmten Umständen unterstützen würde. Zu diesen Umständen würden Versuche Teherans gehören, sein Atomprogramm wieder aufzubauen oder an das hochangereicherte Uran zu gelangen, das vermutlich in den unterirdischen Anlagen gelagert sei, die von den USA im Juni bombardiert worden waren. Auch Netanjahu erklärte am letzten Tag seines Besuchs in Washington gegenüber dem Sender Fox News, dass Israel sich »Sorgen« über Irans Vorrat an angereichertem Uran mache. Den Iranern müsse klargemacht werden, dass sie nicht an dieses Uran kommen würden. »Ich denke, die Iraner verstehen, dass wir das, was die USA und Israel einmal gemacht haben, auch zwei- oder dreimal machen könnten.«
Trump scheint nicht grundsätzlich abgeneigt. In den seit der plötzlichen Waffenruhe vom 24. Juni vergangenen drei Monaten hat er viele Male gedroht: »Wir machen es wieder, wenn es nötig ist«. Zuletzt verkündete er am 5. Oktober beim Besuch eines Marinestützpunktes in Virginia, die USA würden Iran erneut bombardieren, falls das Land sein Atomprogramm wieder aufnehme, »und wir werden damit nicht so lange warten«.
Knut Mellenthin schrieb an dieser Stelle zuletzt am 2. April 2024 über Israels Transferpläne: »Die Araber müssen Platz machen«.
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