Vogelschutzverein
Von Jürgen Roth
Via Berlin erreichte mich ein Paket aus geheimnisvollen Leipziger Külow-Kulturkreisen. Der astreine Herr Redakteur hatte es vor Monaten angekündigt, doch bevor dieser Saubeutel in die Gänge kommt und an mich gerichtete Post weiterschickt, musst du dir, mit John Cleese (»Parrot Sketch«) geklagt, »verdammt noch mal die Lippen fusselig reden«.
Die Wahrheit ist: Ich hatte das längst vergessen. Die Oktobersonne scheint übrigens just sehr günstig und möbelt die innere Verfasstheit auf – »Weltheit« (Michael Tetzlaff), gehalten im Grundton der Milde.
Ich entnahm dem Karton zwei blaulackierte Flaschen: Kackvogel – feinster Korn. Wenn du dir die verheuchelten Visagen im deutschen Fernsehen anschaust, die wie einbetoniert grienenden Nulpen, zum Schreien ungebildet, diese Container voller narzisstischer Leere, dümmer als eine Handvoll Herbstlaub, dann ist ein Präsent dieser Art äußerst willkommen.
Der Kackvogel-Roggenschnaps gleicht einer Offenbarung. Ich lasse mich zum Konsum geistiger Getränke nur verführen, selber kaufe ich solchen Stoff nie. Der Maler Klaus Gröne aus Werdohl, dem Geburtsort von Edgar Külow, lässt den »gechillten, stressfreien, runden und weichen Korn« (Selbstauskunft) produzieren, und das in der Gesellschaft von Granitsteinen gelagerte und aktivkohlegefilterte Zeug bläst dir jeden Blödsinn aus dem Bumskopp – ein psychohygienisches Privatwacken, Ausbund der Veredelung des Proletarischen, flüssige Anarchie, in die du eine in Salzlake fermentierte Pfefferbeere aus Ecuador hineinschmeißt, um sie zur Krönung des Trinkvorgangs zu zerbeißen, auf dass im Rachen ein Feuerwerk kropotkinscher Geschmacklichkeit abgefackelt wird.
Mein Freund Stefan Siegert erzählte mir, das Genie Horst Janssen habe zum Frühstück einen halben Liter Wodka mit Buttermilch verkostet. Da dürfte ich bei ein paar mickrigen Gläsern Kackvogel um die Mittagszeit nicht falschliegen (gut; die einen sagen so, die andern sagen so), außerdem muss ich die Mitgliederversammlung des Vogelschutzvereins Neuendettelsau verdauen, die im Bürgertreff stattfand, in einem niederdrückend tristen Raum in der sogenannten Passage.
Ältere Damen, ältere Herren, irgendwer wirft die Frage der Reinigung der Nistkästen im Revier auf, keine Resonanz. Eine etwas jüngere Frau quasselt von ihren Kindern, es manövriert sich alles rasch in die Erörterung der Ausflugsvorhaben hinein, Eventplanung, die Ornis: basal egal, und endlich sagt der Vorsitzende mürbe: »Gibt’s von euch irgendwas?«
Hinterher legt mir der Simon dar, an der Kläranlage am Ortsausgang Richtung Wernsbach siedelten die Superseltenheitsstars Sumpfrohrsänger, Rohrweihe und Eisvogel.
Im Briefband der Wolfgang-Pohrt-Werkedition fand ich folgendes: »Ihr Brief hat mich wieder an meine Assistentenzeit erinnert, an diese Sitzungen, bei denen es nie um irgendeine Sache ging, sondern der wichtigste und zeitraubendste Punkt auf der Tagesordnung war, einen Termin für die nächste Sitzung zu finden.«
Meine Bedürfnisse sind nicht an Sitzungen, sondern nicht unwesentlich an die Existenz des wehrlosen, in einer brauchbaren Gesellschaft ausreichend unbehelligten stofflichen Außen geheftet. Das verstehen Bewohner von Berlin und anderen Müllhalden, Leute, die weder Wiesen noch Altholzbestände kennen, nicht.
Die meisten Landansässigen verstehen es mittlerweile genausowenig. Sie fassen die Einkehr im Gasthaus Waldesruh in Kirschendorf ins Auge. Was gleichwohl nicht irrig dünkt.
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