»Unternehmen agieren immer skrupelloser«
Von Susanne Knütter
Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, haben nur noch 9,5 Prozent aller Betriebe ab fünf Beschäftigten einen Betriebs- oder Personalrat. Können die wenigstens ihre Arbeit machen?
Die Arbeit vor allem von Betriebsräten wird enorm erschwert. Die vom Betriebsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Regeln werden von Geschäftsleitungen immer weniger eingehalten. Betriebsratsmitglieder bekommen Informationen, die sie für ihre Arbeit brauchen, nicht oder nur verzögert. Sie können erforderliche Schulungen nicht machen, sind Schikanen ausgesetzt. Die Behinderung kann in Verhinderung von Betriebsratsarbeit umschlagen bis hin zum Mobbing. Aktive Betriebsrats- und Gewerkschaftsmitglieder werden dann aus den Betrieben herausgedrängt.
Was sind aktuelle drastische Beispiele?
Das bekannteste ist sicherlich Tesla, wo versucht wird zu verhindern, dass die IG Metall in Betriebsrat und Betrieb mitbestimmt. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Letztes Jahr hat das Familienunternehmen Pro-Minent Wellen geschlagen. Dessen Miteigentümer ist Rainer Dulger, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, also des wichtigsten Kapitalistendachverbands in Deutschland. Da wurde der IG-Metall-Betriebsrat nach allen Regeln der schmutzigen Kunst eliminiert. Das geht weiter bis zu kleinen inhabergeführten Unternehmen wie dem Autohaus Ford Kohlhoff. Oder ganz aktuell: Hier in Mannheim und Umgebung wurde die Busfirma Rau GmbH in eine Insolvenz in Eigenverwaltung getrieben, um nicht nur den Betriebsrat, sondern auch die Tarifbindung loszuwerden.
Warum hat Betriebsratsbehinderung zugenommen?
Mit der politischen Rechtsentwicklung geht einher, dass auch im Wirtschaftsbereich zunehmend hemmungsloser und skrupelloser agiert wird. Geltende Gesetze, geltende Tarifvereinbarungen, Betriebsräte, Gewerkschaften werden als Hindernisse bei der Profitmaximierung angesehen.
Wie kann man sich gegen Mobbing von Betriebsräten wehren?
Es geht darum, dass man kollektiv agiert, in der Belegschaft präsent ist und als Team auftritt und nicht als ein Bündel von Einzelkämpfern, sondern dass man deutlich macht: Nur mit einer gemeinsamen gewerkschaftlichen Organisierung können wir stark im Betrieb sein. Das ist z. B. bei Nora systems der Fall. Und insgesamt müssen Gewerkschaften als Gegenmacht wieder wahrnehmbar sein.
Das Komitee »Solidarität gegen BR-Mobbing!« fordert in einem offenen Brief an die Gewerkschaftsvorsitzenden, die Praxis der Verdachtskündigungen zu bekämpfen. Wie groß ist das Problem?
Verdachtskündigungen sind wesentlich, um aktive Betriebsratsmitglieder und Gewerkschafter zu bekämpfen. Sie sind eine absolute Umkehr des geltenden Rechtsverständnisses, das da lautet, im Zweifel für den Angeklagten. Verdachtskündigungen gelten ebenso wie andere Relikte des faschistischen Arbeitsunrechts im deutschen Arbeitsrecht weiter.
Wie groß sind die Erfolgschancen vor Gericht?
Unterschiedlich. Aber du bist dann erst einmal unter irgendeinem Vorwand gekündigt, Arbeitszeitbetrug, falsche Spesenabrechnungen etc. Und dann musst du als gekündigtes Betriebsrats- oder Gewerkschaftsmitglied vor dem Arbeitsgericht nachweisen, dass du unschuldig bist. Diese Beweislastumkehr ist völlig unakzeptabel. Hinzu kommt, die Betroffenen warten zum Teil Monate oder Jahre auf ihre Gerichtstermine.
Verdi selbst hatte versucht, einen Kollegen in der Bundesverwaltung per Verdachtskündigung loszuwerden.
Wir lehnen das prinzipiell ab. Also egal, ob es um Beschäftigte in der Privatwirtschaft, im öffentlichen Dienst oder bei Gewerkschaften geht.
Kürzlich wurde eine EU-Richtlinie beschlossen, die Europäische Betriebsräte stärken soll. Wie schätzen Sie das ein?
Entscheidend ist nicht eine gesetzliche Formulierung, sondern dass die Rechte von den betroffenen Kollegen wahrgenommen werden können. Die Be- und Verhinderung von Betriebsratsarbeit ist nach wie vor kein Offizialdelikt, das von Staats wegen verfolgt werden könnte. Deshalb müssen die Gewerkschaften und Betriebsräte Gegendruck ausüben.
Sind die Gewerkschaften dazu in der Lage?
Überall, wo Gewerkschaften gekämpft haben, haben sie Glaubwürdigkeit gewonnen. Sei es 1984 bei dem Kampf um die 35-Stunden-Woche oder in den 50er Jahren bei dem Streik der IG Metaller im Bezirk Küste für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. In Deutschland haben Gewerkschaften eine Beißhemmung bekommen, ihr Streikrecht wahrzunehmen. Das muss sich ändern angesichts der Angriffe. Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke hat massive gewerkschaftliche Gegenwehr gegen die Aushebelung des Achtstundentags angekündigt. Das ist zu unterstützen.
Wolfgang Alles ist aktiver IG Metaller und Mitbegründer des Komitees »Solidarität gegen BR-Mobbing«
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