Opportunisten unter sich
Von Marc Hairapetian
Regisseur Luca Guadagnino macht häufiger das Gegenteil von dem, was man von ihm erwartet. Bei seinem 2018 entstandenen Remake von Dario Argentos Hexenhorrorklassiker »Suspiria« (1977) verzichtete er auf die poppigen Farben des Originals zugunsten eines monochromen, geradezu tristen Looks im Berlin der Zeit des »Deutschen Herbstes«. Dem nicht genug erweiterte er die Filmlänge um eine Stunde und lud den Grusel mit politischen Anspielungen auf RAF und Faschismus auf.
Bei seinem neuesten Thriller »After the Hunt« besetzt er diverse Sympathieträger Hollywoods gehörig gegen den Strich. Getreu der Tagline auf dem US-amerikanischen Werbeposter »Not everything is supposed to make you comfortable« (sinngemäß: »Nicht alles ist dazu gedacht, dass du dich wohlfühlst«) spielt Julia Roberts eine äußerst ambivalente Figur. Als Philosophieprofessorin Alma Olsson lehrt sie an der Yale, und steht kurz davor, endlich die heiß begehrte Professur auf Lebenszeit zu erhalten. Doch eines Nachts kommt ihre Doktorandin Maggie Price (die aus der Serie »The Bear« bekannte Ayo Edebiri) weinend zu ihr. Sie berichtet, dass nach einer Party in Almas Wohnung deren Professorenkollege Hank Gibson (Andrew Garfield) sie nach Hause gebracht und dort sexuell belästigt habe.
Statt ihrer Studentin nun Unterstützung zuzusichern, verhält sich die Vorzeigeprofessorin seltsam passiv. Sie zögert nicht, weil sie Maggie nicht glaubt, sondern weil sie befürchtet, sich kurz vor ihrem langersehnten Ziel alles selbst zu zerstören. Außerdem ist da noch ein sie in ihren Handlungen lähmendes Ereignis aus ihrer Jugend, das sie trotz ihres Psychotherapeutenehemanns Frederik (Michael Stuhlbarg), der lieber seine geliebte klassische Musik aufdreht, anstatt ihren Problemen zuzuhören, längst nicht verarbeitet hat.
Alle bekommen bei Guadagnino ihr Fett weg: Der diesmal vollbärtige »Spider-Man«-Darsteller Garfield verkörpert in »After the Hunt« ebenfalls einen zwiespältigen Charakter. Er erzählt Alma eine ganz andere Version der Geschichte. Er habe in besagter Nacht Maggies Dissertation gelesen und festgestellt, dass sie plagiiert sei, daraufhin sei die Studentin ausgerastet.
Das von Nora Garrett geschriebene Verwirrspiel um Wahrheit und Lüge, Ehrgeiz und Integrität will eine Abrechnung mit den aktuellen Verhältnissen an US-amerikanischen Eliteuniversitäten sein und den Kulturkämpfen der Trump-Ära sein. Julia Roberts jedenfalls lehnt sich mit ihrer Performance weit aus dem Fenster. Wenn sie beispielsweise Maggie lautstark vorwirft, sie sei nur mit einer nichtbinären Person zusammen, um sich selbst interessanter zu machen, werden die Grenzen der Political Correctness ausgelotet. Guadagnino, der das politisch-psychologische Kammerspiel souverän inszeniert, scheint seine diebische Freude an solchen Widersprüchen zu haben.
»After the Hunt«, Regie: Luca Guadagnino, USA/Italien 2025, 139 Min., Kinostart: heute
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