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Aus: Ausgabe vom 16.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Madagaskar

Aufbegehren gegen Armut

Nach Absetzung des Präsidenten steht Madagaskar vor ökonomischen Weichenstellungen
Von Georges Hallermayer
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Infrastrukturmängel und steigende Preise für Alltagsgüter veranlassten die »Gen Z« zum Kapern des Staates (Antananarivo, 14.10.2025)

Präsident Andry Rajoelina ist gegangen worden, erzwungen hat es die Generation Z. Zum Protest getrieben wurde sie von den Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Benzin sowie den ständigen Abschaltungen von Strom und Absperrungen von Wasser. Anders, als vor drei Jahren bei den Aufständen in Westafrika, ging es nicht gegen mächtige westliche Konzerne wie den Ölhändler Total, sondern gegen indische Geschäfte wie das Centre Commercial Tana Waterfront in Antananarivo, welches Ende September geplündert und niedergebrannt wurde. Die im Sklavenhandel begründete Dominanz Indiens auf Madagaskar hat den französischen Kolonialismus überdauert.

Freude über die Absetzung des Präsidenten dürfte es bei den Bossen des Vanillekartels geben. Der Inselstaat ist weltgrößter Exporteur der begehrten Schote, fast 400 Millionen US-Dollar machte der Handel damit 2023 aus. Der im April 2023 offen ausgebrochene Konflikt zwischen der Regierung und den vor allem ausländischen Unternehmen dürfte nun Vergangenheit sein. Man darf annehmen, dass der Mindestabgabepreis für die Bauern wieder aufgeweicht wird.

Fraglich ist auch, wie es mit den Minengeschäften des Landes weitergehen wird. Bisher überlassen die Tausenden Bergarbeiter den Minenherren die Hälfte ihres ohnehin mageren Verdienstes für 150 Kilogramm Reis im Jahr – dem Durchschnittsbedarf, um die Ernährung zu decken – oder für Öl und Werkzeug. Viele müssen ihren Alltag mit einem Monatslohn von umgerechnet gerade einmal 58 US-Dollar bestreiten, berichtete die Schweizer NGO Public Eye.

Die wirtschaftliche Not im Land wurde durch das Handeln der Weltbank weiter verstärkt. Die Zahlung von 100 Millionen US-Dollar, die zur Deckung des Haushaltsdefizits vonnöten gewesen wären, wurde hinausgezögert. Gleichzeitig stellte der Internationale Währungsfonds einen noch größeren Kredit, der Madagaskar die Selbstversorgung mit dem Grundnahrungsmittel Reis ermöglichen sollte, zurück. Als Grund führte die Organisation Mängel bei den Preisanpassungen für Öl an. In der Folge musste der Staat die Subventionen für Benzin und Strom zurücknehmen, Preiserhöhungen blieben nicht aus.

Auch die Handelspolitik der USA machte dem Land zu schaffen. Mit dem »Liberation Day« von US-Präsident Donald Trump wurde Madagaskar mit Zöllen in Höhe von 47 Prozent belegt. 2023 stieg das Land zum drittgrößten Textilexporteur in die Vereinigten Staaten auf. Anders, als der südafrikanische Staat Lesotho, konnte Madagaskar sich aber nicht über eine spätere Reduktion der Zölle auf einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz freuen. Es liegt nahe, die Ursache für die besondere Abkanzlung des Landes in seiner frühen Mitgliedschaft in der Belts-and-Roads-Initiative der Volksrepublik China als größtem globalen Konkurrenten des US-Imperialismus zu vermuten. Außenministerin Rafaravavitafika Rasata hatte noch im Juni in Changsha am ministeriellen Koordinationstreffen im Rahmen des chinesisch-afrikanischen Forums FOCAC teilgenommen, um dort eine E-Plattform für den Handel zu beschließen.

Diese geo- und handelspolitische Position stellt das Land vor ein schier unlösbares Dilemma. Das zeigt sich auch an der Versorgung mit dem Allernötigsten. Die Versorgung mit Trinkwasser brach immer wieder zusammen. Die Pumpstation Mandroseza, die 60 Prozent des Wassers für die Hauptstadt Antananarivo liefert, wurde erst im Mai dem chinesischen Unternehmen CJIC übertragen, doch auch diese Maßnahme konnte die Versorgungssicherheit anscheinend nicht ausreichend sicherstellen.

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