Volkserzieher des Tages: Rainer Schlegel
Von Felix Bartels
Neues von Hugenberg & Söhne. Der Denkfabrik für den tüchtigen Mann. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Wer keine Arbeit findet, dessen Arbeit sei die Bemühung um Arbeit. Macht er dabei keine gute Figur, soll er ebenfalls nicht essen. Denn vor dem Fressen kommt die Moral, und die ist manchen hierzulande nicht puritanisch genug.
Der frühere Präsident des Bundessozialgerichts etwa, Rainer Schlegel, hält die verschärften Sanktionen der Bürgergeldreform für verfassungsgemäß. In einem Gutachten schreibt er, dass auch die vollständige Streichung sozialer Leistungen mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Verfasst wurde das Papier im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die man, um im Jargon zu bleiben, als unternehmerfreundlich bezeichnen kann. 2019 hatte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen, stark eingeschränkt. Aber der »Gesetzgeber darf sich nicht hinter dem Bundesverfassungsgericht verstecken«, mahnt Schlegel. Zwar habe Karlsruhe hohe Hürden für Sanktionen aufgestellt, doch Hürden sind dazu da, genommen zu werden.
Die Idee dessen, was man in den Neunzigern noch »Sozialstaat« nannte, bestand gerade darin, dass Leistung zu mehr führen soll und nicht Verweigerung von Leistung zu weniger. Eine Grundsicherung stehe jedem zu, ob er sich nun servil und beflissen zeigt oder wie Arno Dübel. Bescheiden war sie, aber leidlich. Wer keinen Bock früh aufzustehen hatte, konnte den Sommer in der Toskana streichen, verhungern musste er nicht. Geht es nach den Totalstreichern soll es künftig ums Überleben gehen. Armut muss sich auch wie Armut anfühlen.
Ob es den Hugenbergs gelingen wird, die an Wohlverhalten geknüpfte Grundsicherung zu etablieren? Man wird sie zu erinnern haben, wenn sie sich das nächste Mal über Chinas Social Credit System erregen.
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vom 16.10.2025