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Aus: Ausgabe vom 13.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Militarisierung der Gesellschaft

Kriegstüchtige Landwirtschaft

EU-Kommission forciert Neuausrichtung der Agrarpolitik. Mittelumverteilung zugunsten der Rüstungsindustrie
Von Sebastian Edinger
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Ende der Friedenszeiten, heißt es vielerorts: Einsatz landwirtschaftlicher Nutzmaschinen auf dem Feld

Mit dem nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) will die Europäische Union (EU) eine grundlegende Neuausrichtung ihrer Ausgabenpolitik in Richtung Kriegsfähigkeit durchsetzen. Das lässt sich einer Reihe von Verordnungsentwürfen entnehmen, die den nationalen und regionalen Parlamenten in den vergangenen Wochen im Rahmen der sogenannten Subsidiaritätskontrolle übermittelt wurden. Die Abgeordneten können nun Stellungnahmen abgeben, wenn sie meinen, die EU mische sich zu sehr in lokale Angelegenheiten ein oder agiere unverhältnismäßig.

Den deutschen Landtagen gingen zuletzt dreizehn solcher Dokumente zur Prüfung zu, die sich auf den Finanzplan 2028 bis 2035 beziehen. Ein zentraler Fokus liegt dabei auf der Agrarpolitik, dem traditionell größten Posten des EU-Etats. Die Mittel für klassische Fördermaßnahmen zugunsten landwirtschaftlicher Betriebe sollen demnach um rund 30 Prozent auf etwa 300 Milliarden Euro sinken. Für Umwelt- und Artenschutzmaßnahmen, die Einkommenssicherung der Bauern und dergleichen soll es lediglich noch Mindestvorgaben geben. Auch die nicht zweckgebundenen Direktzahlungen an Betriebe will die Kommission zusammenstreichen.

Im Gegenzug soll bei der Vergabe von Fördergeldern ein stärkerer Fokus auf »Resilienz und Versorgungssicherheit« gelegt werden. Welche Maßnahmen in diesem Sinne konkret zu erfüllen sind, um weiter an EU-Gelder zu kommen, soll in nationalen und regionalen Partnerschaftsplänen (NRP) geregelt werden. So sichert sich die EU mehr Zugriff auf die Produktionsstrukturen der Höfe. Denn bevor Geld fließt, müssen die NRP in Brüssel genehmigt werden. Passend dazu wird auch der Aufbau eines »eigenen Eiweißsektors« forciert, um bei der Herstellung nahrhafter Lebensmittel unabhängiger von Importen zu werden. Man ist sich bewusst, dass im Krieg nur durchhält, wer die Bevölkerung in Notsituationen ernähren kann.

Auch darüber hinaus sehen die Vorschläge vor, den Agrarsektor auf den Ernstfall zu orientieren. Vorgesehen ist, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, Vorsorge- und Reaktionspläne zu erstellen, um die Versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Krisen zu sichern. Ein EU-Mechanismus zur Krisenvorsorge und -reaktion, der Behörden und Akteure der Lebensmittelkette in Notsituationen koordiniert, soll eingerichtet, Informationen über Lagerbestände, Logistik und Schwachstellen sollen gebündelt werden. Auch der Aufbau strategischer Reserven ist geplant. Ebenso ein »Solidaritätsmechanismus«, über den die Reserven unbürokratisch geteilt werden können, wenn das nötig wird.

Die Neuausrichtung des EU-Haushalts betrifft weitere Bereiche. So sollen zahlreiche Budgets zum »Europäischen Fonds für wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt, Landwirtschaft und den ländlichen Raum, Fischerei und Meere, Wohlstand und Sicherheit« zusammengepackt werden – aus dem im Bedarfsfall jederzeit Mittel zugunsten der Rüstungsindustrie zweckentfremdet werden können. Durch die Zusammenlegung werden die einzelnen Förderbereiche entgrenzt. Ausdrücklich vorgesehen ist, dass die Gelder, wenn notwendig, der »Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten der Union und der Sicherheit in allen Regionen« zugeführt werden können. Ohne Deckelung.

Hierfür ist ein deutlicher Mittelaufwuchs des EU-Haushalts auf insgesamt rund zwei Billionen Euro geplant. Der Fonds soll dann als »EU-Fazilität« aufgestellt werden, was im Ergebnis regionale Mitspracherechte abbaut und die Entscheidungshoheit über die Verwendung der Gelder auf EU-Ebene konzentriert.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (13. Oktober 2025 um 10:33 Uhr)
    Die neue EU-Agrarpolitik bringt frischen Gegenwind aufs Feld. So wird aus dem Bauernhof das neue Schlachtfeld der Bürokratie. Die alten Direktzahlungen fallen weg, dafür gibt’s neue Schlagworte: »Versorgungssicherheit«, »Krisenresilienz«, »Solidaritätsmechanismus«. Und wer bisher dachte, Agrarpolitik habe etwas mit Nahrung zu tun, der hat wohl noch nicht verstanden: In Zeiten strategischer Ernährungssouveränität ist selbst der Acker ein sicherheitspolitisches Risiko.

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