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Aus: Ausgabe vom 11.10.2025, Seite 6 / Ausland
Kamerun

Biya will’s zum achten Mal wissen

Kamerun: Langzeitautokrat vor mutmaßlich nächstem Wahlgewinn. Das Land ist jung, aber Jahrzehnte der Korruption erschweren Neuanfang
Von Ina Sembdner
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Issa Tchiroma Bakary will Biya vom Thron stürzen (Yaoundé, 9.10.2025)

Sollte er am Sonntag erwartungsgemäß wiedergewählt werden, wird Kameruns Präsident Paul Biya am Ende seines achten Mandats 99 Jahre alt sein. Und auch wenn es immer wieder Gerüchte über den Gesundheitszustand des seit 1982 als Präsident amtierenden Biya gibt, hält sich der Autokrat fest im Sattel. Dabei gibt es nicht sehr viele Menschen in seiner Altersklasse in der früheren deutschen Kolonie, die sich im Anschluss Franzosen und Briten aufteilten. Das Durchschnittsalter liegt bei knapp 19 Jahren, nur wenig mehr als drei Prozent erreichen überhaupt ein Alter jenseits der 65.

Aber den rund 31 Millionen Einwohnern dürfte es an den Annehmlichkeiten ihres Präsidenten mangeln. Während er sich weniger mit Politik auseinandersetzt, aber dafür ausgedehnte Reisen – vorzugsweise in die Schweiz – unternimmt, müssen sich die Kameruner mit durchschnittlich weniger als 100 US-Dollar Monatseinkommen durchschlagen. Im Jahr 2018 führte das Organized Crime and Corruption Reporting Project anhand der täglich herausgegebenen Regierungszeitung Cameroon Tribune eine Untersuchung zu 35 Jahren Reisezeit und -ausgaben des Präsidenten durch. Demnach verbrachte Biya mindestens viereinhalb Jahre mit »kurzen privaten Besuchen« – so der Code seines Büros für seine regelmäßigen Ausflüge nach Genf. In einigen Jahren, wie 2006 und 2009, verbrachte Biya ein Drittel des Jahres außerhalb des Landes. Auch wenn offenbar niemand so recht sagen kann, wie er in Genf seine Zeit verbringt, brachte die Untersuchung hervor, dass er mit seiner stets mitreisenden 50köpfigen Entourage auf 40.000 US-Dollar Kosten pro Nacht im dortigen Hotel Intercontinental kommt.

Aber ganz haben seine politischen Gegner trotz Korruption, Wahlfälschung und repressiver Gesetzgebung nicht aufgegeben. Nachdem Biyas stärkster Herausforderer bei den letzten Wahlen 2018, Maurice Kamto, dieses Mal disqualifiziert wurde, könnte Issa Tchiroma Bakary punkten. Der frühere Arbeitsminister und ehemalige Regierungssprecher war im Juni aus Biyas RDCP ausgetreten und hatte dem 92jährigen im Wahlkampf vorgeworfen, die Ressourcen Kameruns schlecht zu verwalten und das Land von internationalen Finanzinstitutionen abhängig zu machen.

Biya selbst trat nach erneut langer Abwesenheit zuletzt am Dienstag in Maroua bei einer Wahlkampfveranstaltung auf und räumte laut Reuters zumindest ein, dass es Beschwerden über grundlegende Dienstleistungen wie Straßen und Stromversorgung in dem Kakao und Öl produzierenden Land gibt. Er sei sich der unerfüllten Erwartungen bewusst, aber »ich kann Ihnen versichern, dass diese Probleme nicht unüberwindbar sind«. Ob mit ihm, bleibt allerdings fraglich.

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