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Aus: Ausgabe vom 11.10.2025, Seite 1 / Titel
Peru

Putschistin muss gehen

Peru: Staatschefin Dina Boluarte des Amtes enthoben. Linker Vorgänger Castillo pocht auf Präsidentenamt
Von Carmela Negrete
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»Raus mit Dina«: Schon seit Jahren wurde gegen die rechte Präsidentin protestiert (Lima, 9.10.2025)

In der Nacht zum Freitag (Ortszeit) hat das peruanische Parlament mit einer breiten Mehrheit von 124 bei insgesamt 130 Abgeordneten die amtierende Präsidentin Dina Boluarte wegen »moralischer Unzulänglichkeit« abgesetzt. An ihrer Stelle wurde Parlamentspräsident José Jerí von der konservativen Partei Somos Perú zum Präsidenten ernannt. Gegen ihn wurde seit 2021 wiederholt wegen Korruption und auch sexueller Vergehen ermittelt.

Die Absetzung fällt in eine Zeit anhaltender Proteste. In den vergangenen Monaten waren vor allem Jugendliche wegen fehlender Perspektiven im Land immer wieder auf die Straße gegangen, Transportarbeiter in Streik getreten. Zur Unzufriedenheit kommt die allgegenwärtige Gewalt. Nach offiziellen Angaben wurden in diesem Jahr bis August mehr als 6.000 Menschen im Land ermordet, darunter 180 Bus- und Lkw-Fahrer. Sie waren bei Firmen angestellt, von denen Mafiaorganisationen systematisch Schutzgeld erpressen. Bewaffnete Gruppen wiederum verübten immer wieder Anschläge wie zuletzt am Mittwoch auf eine Diskothek in Lima, wobei ein Mann starb.

Die eigentlichen Hintergründe der Lage in Peru werden allerdings regelmäßig verzerrt dargestellt. »CNN und andere nutzen das Narrativ von der angeblichen ›Generation Z‹, die sich 2025 spontan erhebt, um nicht darüber sprechen zu müssen, dass die Proteste in Wirklichkeit schon seit Dezember 2022 stattfinden«, hieß es in einer Sendung der linken Medienplattform Canal Red am Donnerstag. »So werden unbequeme Fragen nach sozialer Unzufriedenheit, den Ursachen der Tötungen und der illegitimen Regierung umgangen.«

Boluarte hatte ihrerseits bis zur letzten Minute gegen »illegale Migranten« gehetzt, die angeblich das Land destabilisieren. Unerwähnt blieb ihr verheerendes politische Erbe, darunter ein Gesetz zur Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen zugunsten von Konzernen, das die Staatseinnahmen austrocknete und die Souveränität einschränkte. Ihre Umfragewerte lagen angesichts der desaströsen Wirtschaftslage, des inexistenten Sozialstaats und wachsender Unsicherheit laut dem Umfraginstitut Ipsos im Juni nur noch bei zwei Prozent.

Boluarte wurde im Dezember 2022 an die Macht gehievt, nachdem der damalige Präsident Pedro Castillo vom Kongress abgesetzt worden war. Eine demokratische Legitimierung für ihr Amt besaß sie nicht. Die Proteste der Opposition ließ sie blutig niederschlagen. Allein zwischen Dezember 2022 und Februar 2023 zählte Amnesty International mindestens 50 Opfer von Polizei- und Armeegewalt. Im August begnadigte Boluarte die verantwortlichen Beamten.

Auch ihr linker Vorgänger Pedro Castillo, erster Indigener im höchsten Staatsamt, war wegen »moralischer Unzulänglichkeit« vom Kongress abgesetzt worden. Diese vage Bestimmung der peruanischen Verfassung, die willkürlich ausgelegt werden kann, hatte Castillo per Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung reformieren wollen. Ein Formfehler ermöglichte es jedoch seinen rechten Gegnern, ihm einen »Putschversuch« vorzuwerfen. Castillo ist deshalb bis heute inhaftiert, pocht aber auf das Präsidentenamt. Auf X schrieb er am Donnerstag, er hoffe, dass die Resolution aufgehoben werde, »mit der ich verfassungswidrig meines Amtes enthoben wurde, mein Mandat muss wiederhergestellt werden«. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Die nächsten Wahlen finden im April 2026 statt.

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