Gegründet 1947 Dienstag, 7. Oktober 2025, Nr. 232
Die junge Welt wird von 3036 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 07.10.2025, Seite 8 / Ansichten

Wurstwächter des Tages: EU-Parlament

Von Felix Bartels
8_portrait.jpg
Autos mit E-Antrieb, Strohalme aus Papier, Wurst auf Soja: Wo soll das alles bloß enden?

Geht um die Wurst mal wieder. An ihr werden letzte Schlachten des Abendlands geschlagen. Am Mittwoch wird das EU-Parlament, das sich auch schon mit Maßen von Schnullerketten beschäftigt hat, über einen Antrag abstimmen, demnach vegane Produkte keine irreführenden Namen mehr tragen dürfen. Nur wenn sie Fleisch enthalten, sollen Burger Burger, Schnitzel Schnitzel und Würste Würste heißen. Es bleibt unklar, wie man bislang hat ruhig schlafen können bei all dem taxonomischen Chaos, denn wie der Mensch seinen Fraß nennen würde, so soll der auch heißen. Sagt Gott, der Herr.

Der Antrag beruht auf der Annahme, dass die betreffenden Bezeichnungen im Fall pflanzlicher Produkte zu Verwechslungen mit fleischlichen führen könnten. Dass dahinter eine fleischverarbeitende Industrie steckt, die ihr Spielfeld reinhalten möchte, ist ebenso einleuchtend, wie der Gedanke, ein halbwegs zurechnungsfähiger Mensch könne sich von der Bezeichnung »Veggieburger« verwirren lassen, absurd scheint.

Ohnehin haben Wächter der Taxonomie es mit Taxonomie eher nicht so. Wurst ist kein Rohstoff, sondern ein kultiviertes Produkt bestimmter Machart und Form. Sie bedient ferner einen bestimmten Geschmack, Umami, muss also herzhaft schmecken. Wer gegen nichtfleischliche Herstellung von Wurst etwas hat, verwechselt entweder ein kulturelles Produkt mit einem Ding der Natur, oder er meint, dass nur ein Weg statthaft sei, das Kunstprodukt herzustellen. Warum das so sein soll, wird nicht einmal er selbst beantworten können, denn das wäre so logisch wie die Auffassung, ein Elektroauto sei kein Auto, da es ja nicht mit Benzin fährt. Allesfresser, die wir sind, juckt uns der Käse in Brüssel nicht. Denn während man in Villarriba eine Ordnung der Dinge verteidigt, die man nicht versteht, wird in Villabajo weiter Mühlenschnitzel gegessen.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.