Steiermark kürzt bei Produktionsschulen
Von Dieter Reinisch, Wien
Gebührenerhöhungen von Reisepass bis Führerschein im Bund, Teuerung der ÖPNV-Jahreskarte in der Bundeshauptstadt Wien – in ganz Österreich sparen die Regierungen und holen sich das Geld bei Arbeitern und Bedürftigen. Auch die Länder kürzen, wo es geht: Die steirische Landesregierung hat am Mittwoch angekündigt, die Förderungen für zwei Produktionsschulen zu streichen.
Die beiden Schulen in Leibnitz und Liezen sollen ab 2026 geschlossen werden, da die rechtskonservative Landesregierung aus FPÖ und ÖVP ab 1. Januar die Förderungen kürzen wird. In Produktionsschulen werden finanziell benachteiligte und ausgrenzungsgefährdete Jugendliche dabei unterstützt, den Weg in Ausbildung oder Arbeit zu finden. Laut Landesregierung seien die Einrichtungen nicht kosteneffizient, schreibt der ORF.
Durch praktische Tätigkeiten in unterschiedlichen Bereichen wie Holz, Metall, Gastronomie und Informatik werden Jugendliche in den Bildungsstätten mittels sozialpädagogischer Arbeitsbegleitung innerhalb von rund sechs bis zwölf Monaten an die Arbeitswelt herangeführt. Nach Abschluss der Schule sollen sie in ein betriebliches Lehr- oder Dienstverhältnis wechseln oder den weiterführenden Einstieg in eine schulische Ausbildung schaffen. In Österreich gibt es 55 solcher Lehranstalten.
Die Produktionsschulen sind ein Baustein im Kampf gegen die steigende Jugendarbeitslosigkeit. Am Mittwoch veröffentlichte Daten sind ernüchternd: Die Zahl der Erwerbslosen und Teilnehmer einer Schulungsmaßnahme der Arbeitsagentur erreichte im September 375.120 Personen – ein Anstieg um 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl derer, die eine Lehrstelle suchen, stieg deutlich um elf Prozent.
Die Arbeiterkammer fordert seit längerem die Ausweitung »niederschwelliger Ausbildungs- und Beschäftigungsformen wie Produktionsschulen«. Doch die Steiermark geht einen anderen Weg: Mit 1. Januar wird die Förderung für die zwei der vier steirischen Produktionsschulen eingestellt, die erst 2020 im Zuge der Coronapandemie eröffnet wurden. Die Begründung: »hohe Kosten bei gleichzeitig zu niedriger Erfolgsquote bei der Vermittlung am Arbeitsmarkt«. Laut dem Büro des zuständigen ÖVP-Landesrates Willibald Ehrenhöfer belaufen sich die jährlichen Ausgaben für die beiden Standorte auf rund eine Million Euro. Er behauptet, von den in diesem Jahr in Liezen und Leibnitz 44 betreuten Personen konnten nur neun in den Arbeitsmarkt integriert oder in eine weitere Ausbildung gebracht werden.
Die Geschäftsführer des Schulbetreibers »Jugend am Werk« widersprechen: Sandra Schimmler und Walerich Berger schrieben in einer Aussendung, »die angegebene, zu niedrige Erfolgsquote spiegelt sich in den Berichten, die dem Land Steiermark vorliegen, nicht wider«. Laut diesen Daten seien im vergangenen Jahr 70 Prozent der Teilnehmer der Ausbildung in Liezen erfolgreich vermittelt worden.
Scharfe Kritik kommt von der Opposition: Gerade jene Jugendlichen, die am schwersten Zugang zum Arbeitsmarkt finden, bräuchten verlässliche Anlaufstellen und langfristige Unterstützung. Andernfalls drohe die Gefahr, dass sie ohne Hilfe und ohne Beschäftigung völlig den Anschluss verlieren, so KPÖ-Steiermark-Klubobfrau Claudia Klimt-Weithaler in einer Aussendung: »In einem Bereich zu kürzen, in dem es um die Zukunft junger Menschen geht, ist unverantwortlich. Jeder einzelne junge Mensch, der durch diese Einrichtungen wieder eine Perspektive bekommt, ist ein Erfolg.«
Ähnlich die SPÖ Steiermark: Die Landesregierung spare an der falschen Stelle, die Produktionsschulen seien eine Notwendigkeit, so Klubobmann Johannes Schwarz und Landtagsabgeordnete Doris Kampus in einer gemeinsamen Erklärung. Laut ORF werde die SPÖ einen Antrag im zuständigen Ausschuss einbringen, um den Erhalt der Schulen in Liezen und Leibnitz zu garantieren.
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