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Aus: Ausgabe vom 02.10.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Glasfaserausbau

Große Abzocke mit Turbonetz

Kein Einzelfall: Mit Glasfaserausbau beauftragte Unternehmen halten Arbeitern in Köln Lohn und Unterkunftkosten vor
Von Gudrun Giese
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Am Ende um den Lohn geprellt: Arbeiter, die für den Glasfaserausbau sorgen

Die Liste der Skandale rund um den Glasfaserausbau wird immer länger. Obwohl er in die Zuständigkeit von Bundesregierung und Bundesnetzagentur fällt, haben diese das gigantische Infrastrukturprojekt längst Privaten überlassen. Die interessieren sich erwartungsgemäß vor allem für den eigenen Profit. Die jüngste Affäre betrifft die Phoenix Engineering mit Firmensitzen in Köln und Griechenland. Einige ausländische Arbeiter machten bekannt, dass das Unternehmen ihre Löhne und Mieten seit längerem nicht bezahlt hätte. Auch Firmen, die als Subunternehmer für Phoenix Glasfaser in Kommunen verlegten, warten auf die Begleichung ihrer Rechnungen.

Phoenix Engineering ist inzwischen zahlungsunfähig; das Amtsgericht Köln hat in der vergangenen Woche das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet. Phoenix trat nicht nur selbst als Glasfaser-Baufirma auf, sondern als Generalunternehmen, das etwa in zahlreichen Gemeinden des Rhein-Lahn-Kreises Glasfaser verlegte oder verlegen ließ. In der vergangenen Woche berichtete der SWR über vier rumänische Arbeiter, denen laut Arbeitsvertrag 14 Euro Bruttostundenlohn zustehen, den sie seit Wochen nicht erhalten haben. Außerdem hätte Phoenix die Mieten für ihre Monteurswohnungen nicht mehr gezahlt, so dass die Vermieter das ausstehende Geld von den Arbeitern forderten. Am Mittwoch meldete der SWR in einem weiteren Bericht, dass sich allein die ausstehenden Zahlungen des Generalübernehmers bei den Subunternehmen in zwei Gemeinden der Region auf über 350.000 Euro beliefen.

Einer ist ein Gartenbauunternehmer, der von Phoenix noch fast 9.000 Euro zu bekommen hat. Er will nun via Facebook andere Unternehmen warnen und deshalb öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen. Unverständlich sei, dass »Unsere Grüne Glasfaser«, zuständiger Auftraggeber in der Region, auf Phoenix Engineering als Generalunternehmer gesetzt hätte. »Mit regionalen Unternehmen wäre das nicht passiert«, schrieb der Inhaber der Gartenbaufirma, diese könnten sich ein derartiges Gebaren schließlich nicht erlauben.

Die Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt (IG BAU) weist auf die Systematik der Ausbeutung der meist ausländischen Beschäftigten beim Glasfaserausbau hin. »Die Zahl der arbeitsrechtlich bedenklichen Vorfälle steigt bundesweit seit Jahren an«, heißt es auf der Website. Es werde zwar öfter in den Medien über Einzelfälle berichtet, doch seien Reaktionen auf politischer Ebene, »die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt hätten«, bisher ausgeblieben. Erheblich mehr öffentlicher Druck könnte eventuell helfen.

Bei Phoenix dürfte nun nicht mehr viel zu holen sein. Auf eine SWR-Anfrage hin erklärte der vorläufige Insolvenzverwalter des Unternehmens, es seien Maßnahmen eingeleitet worden, »um die Löhne und Gehälter der Beschäftigten bis einschließlich Oktober 2025 über Insolvenzgeld abzusichern«. Das zahlt allerdings die Bundesagentur für Arbeit. Aus welchen Quellen weitere Verbindlichkeiten beglichen werden sollen, bleibt offen. Schuld an der Insolvenz seien hohe Zinsen und strenge Vorgaben bei der Kreditvergabe sowie langwierige Genehmigungsverfahren.

Eigene Verantwortung für die miese Zahlungsmoral sah man im Unternehmen eher nicht. Doch immerhin haben die geschädigten Firmen aus der Region Rhein-Lahn Strafanzeige gegen Phoenix Engineering gestellt. Auch die um Lohn und Mietzahlungen geprellten Arbeiter möchten rechtlich gegen das Unternehmen vorgehen. Mitglieder der Partei Die Linke in Koblenz unterstützen sie bei der Prüfung einer möglichen Klage. Außerdem haben sie den mittellosen Männern Essen und Unterkünfte auf Zeit organisiert.

Die Vorgehensweise von Phoenix ist kein Einzelfall. Im Juni berichtete der SR über ähnliches Verhalten von Generalübernehmern beim Glasfaserausbau in Baden-Württemberg, dem Saarland und Rheinland-Pfalz. Dieser heißt hier Geodesia und enthält knapp 300 Millionen Euro vom privaten Auftraggeber Deutsche Glasfaser. Das Geld geht von dort weiter an Subunternehmen, etwa die deutsch-spanische Firma Capital Glasfaser, die einen Teil der Aufträge wieder weiterreicht. Bauarbeiter werden auch hier am Ende um ihren Lohn geprellt, in einem im SR genannten Beispiel etwa um 30.000 Euro.

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