Fakten schaffen
Von David Fischer
Scott Körber (CDU) ist sauer. Die Senatorin für Inneres und Sport, Iris Spranger (SPD), bezichtigt der Vorsitzende des Berliner Sportausschusses am Montag in einem Schreiben, das jW vorliegt, einer »groben Missachtung des Parlaments«. Warum? Die Senatorin spielte auf Zeit. Fragen des Ausschusses zum Haushalt 26/27, spezifisch zum Einzelplan 5 (Inneres und Sport), wurden ebenso ignoriert wie von allen Fraktionen vereinbarte Fristen.
Extrem unüblich. Das Haushaltsrecht ist schließlich das »Königsrecht« des Parlaments. Montag abend wurde doch noch geantwortet – und in den brenzligen Fragen des Doppelhaushaltes auf eine Vorlage verwiesen, die der Senat am Dienstag morgen beschlossen hat. Parlamentarische Gepflogenheiten einzuhalten oder gar Transparenz zu bieten, hätten der Dramaturgie des zweiten Aktes der Berliner Olympiabewerbungstragödie geschadet.
Bis 2027 will der Berliner Senat sechs Millionen Euro für die Bewerbung ausgeben. Mindestens. Beschlossen wurde auch, eine »Steuerungseinheit« in der Senatskanzlei einzurichten, unter der Leitung des bereits ernannten Olympiaverantwortlichen, dem Sportmanager Kaweh Niroomand (Berlin Recycling Volleys). Die zwölf hierfür veranschlagten Stellen sollen weitestgehend durch »Personalabordnungen« aus unterschiedlichen Senatsverwaltungen besetzt werden, was darauf schließen lässt, dass die Personalkosten nicht im Budget auftauchen werden.
Vier weitere Stellen in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport sollen dazu dienen, das Olympiakonzept »Berlin+« weiterzuentwickeln, das weitere Regionen (Segeln an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns, Schießen in Frankfurt (Oder), Reiten in NRW, Mattenkämpfe in Leipzig) einbindet. Ein aus »Vertretern der Stadtgesellschaft« bestehendes »Kuratorium« soll beraten, »insbesondere in Hinblick auf die Einbindung und Überzeugung« der Berliner.
Nicht zuletzt werden der regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Innensenatorin ermächtigt, die »politische Vereinbarung zu einer deutschen Bewerbung (…) für das Land Berlin zu unterzeichnen«, eine Vorlage an das Landesparlament sei nicht erforderlich. Einen »Freifahrtschein für ein Milliardendesaster« nennt das Kristian Ronneburg (Linke): »abseits jeglicher Transparenz und echter Mitbestimmung der Bevölkerung«. Der Senat wolle »Fakten schaffen, ohne Bevölkerung und Parlament einzubeziehen«, kritisierte auch Gabriele Hiller, Sprecherin des Berliner NOlympia-Bündnisses. Das »Indoktrinationskomitee« sei ein Indiz dafür, dass der Senat seinem Olympiakonzept selbst nicht sonderlich viel zutraue.
Berlin nähert sich mit der jetzt beschlossenen Mittelerhöhung seinen Mitbewerbern an: Der Spiegel berichtete jüngst, dass Hamburg bis 2026 insgesamt 17 Millionen für die Bewerbung vorgesehen hat, die Rhein-Ruhr-Region gar 20 Millionen.
Die gestrige Pressekonferenz Wegners, Sprangers und Niroomands war dennoch voll des Lobgesangs auf Transparenz, Kostenneutralität und Nachhaltigkeit. Gelobt wurden auch die Spiele in Paris und die Begeisterung der jungen Generation für Olympia. Man suche das Gespräch auch mit Kritikern, so Niroomand; außer diese seien ideologisch. Als Beispiel dafür führte er ein Misstrauen gegenüber dem IOC an. Die Einbindung der Stadtgesellschaft verläuft also in engen Bahnen – und wird teuer: Die sechs Millionen Euro sollen hauptsächlich für Werbung und Dialogmaßnahmen ausgegeben werden.
Vorherige Bewerbungsversuche Berlins scheiterten kläglich: So in den 1990ern, als man die Spiele 2000 in die Stadt holen wollte und auf erbitterten Widerstand traf; so zuletzt auch 2013/14, als der dilettantische Versuch, sich auf die Spiele 2036 zu bewerben, durch IOC-Entscheidungen sein Ende fand. Ob es diesmal um Olympia 2036, 2040 oder 2044 gehen soll, ist noch nicht entschieden. Vor der nationalen Kandidatenkrönung durch den DOSB Ende 2026 stehen noch Plebiszite in München am 16. Oktober und Hamburg Ende Mai 2026 aus. Möglicherweise auch ein Berliner Volksbegehren, doch dazu schweigt NOlympia Berlin noch. Das wäre dann der Tragödie dritter Akt: der Wendepunkt.
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