Nur die Minuten
Von Felix Bartels
Unschärfe ist nicht nur ein Ärgernis. Sie schafft Verunsicherung. Als Werner Heisenberg seine Beobachtungen 1927 vorstellte, war ein weiteres Mal das geläufige Weltbild erschüttert. Wie die Quantenmechanik überhaupt an der mechanischen Vorstellung rüttelt, dass die Dinge eben sind, wie sie sind. Natürlich sind sie letztlich, wie sie sind, nur nicht in dem Sinne, wie das menschliche Alltagsdenken Mit-sich-selbst-identisch-Sein versteht.
Nach Heisenberg lassen Elementarteilchen sich nie vollends bestimmen. Je genauer man angeben kann, wo sie sind, desto weniger genau weiß man, wie sie sind. Und umgekehrt. Messungen nehmen nicht einfach den Bestand der Wirklichkeit auf, sie greifen ein und beeinflussen das gemessene Objekt. Ein Zustand der Wahrscheinlichkeit zwischen so oder so weist auf einen komplexeren und also vertrackten Begriff von Wirklichkeit hin, der von den Kritikern der Quantenmechanik als dessen Abschaffung verstanden wurde. Am Ende langer Debatten und Irritationen bleibt, dass die quantenmechanischen Theorien die Messergebnisse über unser Alltagsverständnis setzen. Und dass diese Theorien bis heute nicht widerlegt oder durch alternative Modelle stimmig ersetzt werden konnten.
Daran ändern auch neuere Untersuchungen wenig, doch sie scheinen zumindest praktisch etwas aus der Klemme zu helfen. So hat ein Team um Christophe Valahu von der University of Sydney eine Methode entwickelt, die mit der Unschärfe verbundenen Messprobleme zu umgehen. Die Methode hebt die Unschärfe der Elementarteilchen nicht auf oder ignoriert die quantenmechanischen Eigenschaften etwa, doch verlagert sie die Phänomene in Messbereiche, die für das Ziel des jeweiligen Experiments weniger wichtig sind: große Sprünge von Position und Impuls. Auf diese Weise lassen sich Änderungen von Position und Impuls der Elementarteilchen präzise bestimmen. Das Design des Experiments erklärten die Forscher in ihrem Beitrag beim Fachjournal Science Advances vermittels einer Analogie.
Es funktioniere wie eine Uhr, die nur einen Zeiger und eine Minutenskala am Rand hat. So lassen sich die Minuten genau ablesen, während der Stundenstand unklar bleibe. Man verzichtet also auf Informationen über größere Zusammenhängen, um die kleineren präziser zu erhalten. So könne man Änderungen sowohl der Position als auch des Impulses eines Teilchens viel genauer messen. »Das Schema ist für kleine Signale optimiert, bei denen feine Details wichtiger sind als grobe«, kommentiert Koautor Ben Baragiola von der RMIT University in Melbourne, während er zugleich feststellt: »Wir haben das Heisenbergsche Prinzip nicht gebrochen. Unser Protokoll arbeitet vollständig innerhalb der Quantenmechanik.«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (1. Oktober 2025 um 12:57 Uhr)In »Quantentheorie 1« (https://tu-dresden.de/mn/physik/itp/cmt/ressourcen/dateien/skripte/Skript_QT1.pdf, Seite 6) kann man lesen: »Die Quantenmechanik ist die Theorie der Dynamik von Teilchen. Sie betrifft damit im Prinzip dieselben Systeme wie die klassische Mechanik, ist aber die umfassendere Theorie – die Quantenmechanik enthält die klassische Mechanik als Grenzfall. Das ist der Inhalt des wichtigen Korrespondenzprinzips. Die Quantenmechanik ist ihrerseits in der Quantenfeldtheorie enthalten.« Mehr braucht man nicht sagen.
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vom 30.09.2025