Junge wandern aus oder sitzen im Knast
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
Entgegen der Aussagen des salvadorianischen Staatspräsidenten Nayib Bukele ist die Auswanderung aus dem zentralamerikanischen Land in den vergangenen Jahren auf einem konstant hohen Niveau geblieben.
Vor allem junge Menschen kehren El Salvador den Rücken. Sieben von zehn Auswanderern in den vergangenen zehn Jahren waren zwischen 15 und 34 Jahre alt. Das berichtete Prensa Latina vergangenen Dienstag unter Berufung auf Zahlen der Volkszählung von 2024. Der Großteil von ihnen migrierte in die USA. Laut Presseangaben lebten im August 2023 rund 2,5 Millionen Salvadorianer in den USA, knapp ein Drittel der etwa 8,7 Millionen Staatsbürger. Etwa die Hälfte von ihnen hat keinen gültigen Aufenthaltstitel.
57 Prozent der Migranten haben demnach auf der Suche nach Arbeit das Land verlassen, bei 15 Prozent war eine Familienzusammenführung der Hintergrund, 14 Prozent gingen aufgrund von Unsicherheit, fünf Prozent wegen der Möglichkeit eines Studiums und vier Prozent heirateten im Ausland. Plaza Publica hatte 2023 noch angegeben, dass lediglich 2,2 Prozent der Auswandernden Unsicherheit als ausschlaggebend angaben. Für rund 90 Prozent war die Verbesserung der Familienökonomie, der eigenen Lebensqualität und Erwerbslosigkeit in El Salvador der Grund für die Migration. Die aktuelle Zahl liegt auch höher als 2018, vor dem Amtsantritt Bukeles. Damals hatten rund zwölf Prozent die Unsicherheit als Migrationsgrund angegeben.
Deutsche Welle wies in einem Artikel vom April dieses Jahres auf das widersprüchliche Verhältnis zwischen Bukele und den Migranten in den USA hin. Die Zustimmung für den Autokraten ist bei ihnen höher als in El Salvador, insbesondere bei jenen ohne Aufenthaltstitel. Bukele gewann die Wahlen im Februar 2024 mit gut 84 Prozent der Stimmen. Migranten ohne gültigen Aufenthaltstitel konnten unter Vorlage salvadorianischer Dokumente an der Wahl teilnehmen. Von diesen rund 200.000 abgegeben Stimmen gewann Bukele über 95 Prozent. In der aktuellen aufgeheizten Situation um Ausweisungen ist der Präsident aber nicht bereit, von Abschiebung bedrohte Migranten zu verteidigen. So im Fall von Kilmar Ábrego, der 2011 im Alter von 16 Jahren ohne Papiere in die USA einreiste und im März dieses Jahres als angebliches Mitglied der Bande Mara Salvatrucha-13 verhaftet, nach El Salvador abgeschoben und im Megagefängnis Cecot inhaftiert wurde. Ábrego konnte mit anwaltlicher Unterstützung im Juni in die USA zurückkehren, wurde dort aber weiter inhaftiert und zunächst im August freigelassen. Trotz eines öffentlich eingeräumten »Verwaltungsfehlers« seitens der US-Behörden, setzte sich Bukele nie für den dreifachen Vater ein und nannte ihn öffentlich »Terroristen«. Die US-Behörden erhoben nun wiederum Anklage wegen »Menschenschmuggels« in den Vereinigten Staaten und der 30jährige sitzt erneut in Virginia in Haft. Für seine Anwälte ist klar, dass die Regierung versuche, Ábrego »dafür zu bestrafen, dass er sich erfolgreich gegen seine unrechtmäßige Abschiebung gewehrt hat«, wie sie in Reaktion darauf mitteilten.
Die Auswanderung aus El Salvador hat nach Angaben von Aktivisten auch ökonomische Folgen, insbesondere in der Landwirtschaft. Lebensmittel werden kaum noch im Land selbst produziert, sondern zu einem großen Teil aus Guatemala oder Costa Rica importiert. Das liege neben der Abwanderung aber auch an der Vernachlässigung der Landwirtschaft durch Bukele, erklärte Ángel Flores von der indigenen Organisation Milpa gegenüber jW. Zudem treffen die Festnahmen im großen Stil seit der Verhängung des Ausnahmezustand 2022 zur Bekämpfung der Kriminalität vor allem die junge Bevölkerung. So sind nach Presseangaben neun Prozent der männlichen Bevölkerung zwischen 25 und 29 Jahren inhaftiert, Aktivisten aus El Salvador sprachen gegenüber jW sogar von 15 Prozent Gefangenen in dieser Altersgruppe. Insgesamt sitzen 2,6 Prozent der erwachsenen Bevölkerung hinter Gittern, auf 100.000 Einwohner kommen 1.824 Gefangene, so viele wie in keinem anderen Land der Welt.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besondere Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
Kevin Lamarque/REUTERS11.07.2025Trumps Mafiafreunde
Leonardo Fernandez Viloria/REUTERS22.04.2025Bukele reizt es aus
Secretaria de Prensa de la Presidencia/Handout via REUTERS15.04.2025Trotz weißer Weste deportiert
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
»Es gibt Morde auf offener Straße«
vom 22.09.2025 -
»Generation Z« gegen Korruption
vom 22.09.2025 -
Den Haag stimmt gegen »Antifa«
vom 22.09.2025 -
Venezolaner bereit zu kämpfen
vom 22.09.2025 -
Am Süden orientiert
vom 22.09.2025 -
Trump droht Taliban
vom 22.09.2025