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Aus: Ausgabe vom 22.09.2025, Seite 2 / Ausland
Ecuador

»Es gibt Morde auf offener Straße«

Ecuador: Aufruf zum Generalstreik gegen Noboas neoliberale Politik. Soziale Lage verschärft sich. Ein Gespräch mit Nelly Colimba
Interview: Thorben Austen
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Protest gegen den Bergbaukonzern Dundee Precious Metals in Ecuador (Cuenca, 16.9.2025)

Ihre Organisation Conaie ruft für diese Tage zu einem unbefristeten Generalstreik in Ecuador auf. Was sind die Gründe?

In erster Linie geht es um die Zurücknahme der Subventionen für Diesel, die Präsident Daniel Noboa vor einigen Tagen ankündigte. Dann geht es gegen neue Bergbaukonzessionen und den Versuch von Noboa, eine neue Verfassung durchzusetzen. Der Streik wird koordiniert landesweit am Montag früh beginnen. Noboa hat bereits vergangene Woche in acht Provinzen den Ausnahmezustand ausgerufen und in fünf eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, um die Proteste einzudämmen.

Bereits am vergangenen Dienstag gab es in der Stadt Cuenca im Süden Ecuadors eine große Demonstration gegen neue Bergbaukonzessionen. Was wurde bei dem Protest konkret gefordert?

Der Konflikt um drohende Bergbaukonzessionen in der Nähe des Naturschutzgebiets Quimsacocha beschäftigt die Region seit über 15 Jahren, es gab Mobilisierungen und Besetzungen. Konkret geht es jetzt um die Goldmine Loma Larga des kanadischen Unternehmens Dundee Precious Metals, das nach eigenen Angaben im Genehmigungsverfahren ist. Die Region um Quimsacocha ist ein riesiges Wasserreservoir, sichert die Trinkwasserversorgung für Millionen Menschen in der Provinz. Sauberes Wasser ist für uns die Quelle des Lebens. Die Demonstration am Dienstag war sehr groß. Wenn die Presse schon 100.000 Menschen angibt, waren es eher mehr.

Nach Informationen in den Medien ist auch Präsident Daniel Noboa gegen das Projekt.

Noboa weiß, dass das Projekt auf große Ablehnung stößt, daher hat er sich im Wahlkampf auch dagegen ausgesprochen. Zwei Tage vor der Demonstration hieß es noch aus Regierungskreisen, das Projekt werde abgelehnt. Wir sehen das aber als Taktik, um die Mobilisierung zu bremsen. Noboas Handeln zeigt das Gegenteil: Er unterstützt Bergbaukonzessionen, nicht nur in Quimsacocha, auch in anderen Landesteilen.

Die Verfassung Ecuadors von 2008 hat verschiedene Paragraphen zu Umweltschutz und Rechten indigener Völker. Wie steht Noboa dazu?

Die Verfassung sieht viele Garantien für die indigenen Völker vor, darunter Schutz ihrer Gebiete, Anerkennung der eigenen Rechtsprechung, etc. Noboa interessiert das alles nicht, viele der geplanten Bergbaukonzessionen liegen auf indigenem Gebiet. Selbst eine Schließung des Verfassungsgerichtes, der obersten Instanz zum Schutz der Verfassung, brachte Noboa ins Gespräch. Aktuell versucht er per Volksabstimmung eine neue Verfassung durchsetzen. Wir rufen dazu auf, mit Nein zu stimmen. Noboa hat seine Verpflichtungen gegenüber internationalen Unternehmen und Geldgebern wie dem Internationalen Währungsfonds. Darauf legt er seinen Schwerpunkt, statt sich um die soziale Lage im Land zu kümmern. Ärzte fehlen, Lehrer fehlen, die Infrastruktur ist in einem sehr schlechten Zustand.

2024 gab es im Land mit 39 Morden auf 100.000 Einwohner die höchste Mordrate in Lateinamerika. Wie wirkt sich das im Alltag aus?

Es gibt Morde auf offener Straße, Überfälle in Bussen und Morde an Busfahrern. Die Ökonomie und kleine Gewerbetreibende sind betroffen, auf Märkten kann nur noch eingeschränkt verkauft werden, viele Läden schließen bei Einbruch der Dunkelheit. Auch wirkt sich das negativ auf den Tourismus aus, die zweitgrößte Einnahmequelle für Ecuador.

Welche Ursachen sehen Sie für den Anstieg der Mordrate? Vor einigen Jahren war Ecuador noch eines der sichersten Länder des Kontinents.

Das ist im Kontext der sich verschärfenden sozialen Lage zu sehen. In den Medien wird die Zunahme der Kriminalität in den Kontext von Zuwanderung aus Venezuela gestellt, etwa 440.000 Brüder und Schwestern aus Venezuela leben hier. Wir denken aber, das ist ein Vorwand, um von den sozialen Ursachen abzulenken, die in den drei rechten Regierungsperioden zunahmen. Unter Expräsident Rafael Correa (2007–2017, jW) und seinem ökonomischen Modell hatten wir soziale Stabilität, die Souveränität des Landes war gewahrt, Unternehmen mussten sich an bestehende Gesetze halten.

Nelly Colimba gehört zur Volksgruppe der Kichwa ­Karanki im Norden Ecuadors und ist leitendes Mitglied von Conaie (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador)

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