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Aus: Ausgabe vom 22.09.2025, Seite 1 / Inland
»Herbst der Reformen«

Neue Hüftgelenke nicht für jeden

Chef der Klinikgruppe Sana stellt Leistungen für Betagte in Frage
Von Susanne Knütter
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Sie ist teuer, aber danach sollen manche wieder ohne Schmerzen laufen können: Operation am Hüftgelenk

Auf den »Herbst der Reformen« solle ein »Winter der Umsetzung« folgen, erklärte Rainer Dulger am Wochenende. Der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände meinte explizit nicht höhere Steuern für Wohlhabende und auch nicht die Erbschaftssteuer. Ihm geht es darum, Proteste gegen die Sparpläne zu vermeiden, wie er mit Blick auf die Demonstrationen in Frankreich gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung erklärte. In der Debatte darum, wo gekürzt werden soll, geht es immer öfter auch um die Gesundheitskosten.

Am Wochenende wagte sich der Chef der Klinikgruppe Sana vor und stellte bestimmte Leistungen für betagte Menschen in Frage. »Wir müssen als Gesellschaft uns fragen, ob wir in jeder Lebensphase, wo die Menschen sind, und da rede ich jetzt auch 80 aufwärts sozusagen, diesen Menschen am Ende des Tages die vollumfängliche Medizin zukommen lassen«, sagte Vorstandsvorsitzender Thomas Lemke im Podcast Table.Today. Lemke nannte hierbei Implantate, Hüften und Kniegelenke. In den meisten anderen Ländern der Welt würden medizinische Leistungen ab einem bestimmten Alter nur bei Eigenbeteiligung angeboten. Vorher, das räumte Lemke ein, sei eine hochproblematische ethisch-moralische Diskussion erforderlich – und gab sogleich den Startschuss: »Wir werden da ranmüssen.« Lemke betonte, dass dazu nicht die Notfall- und klassische Standardversorgung gehöre. Er plädierte außerdem dafür, stärker mit Anreizen zu arbeiten als mit Sanktionen.

Lemke schlug außerdem ein Bonusmodell vor, um die Zahl von Arztbesuchen in Deutschland zu verringern. So könnten Versicherte etwa 100 bis 200 Euro pro Jahr erstattet bekommen, wenn sie nur zweimal oder weniger zum Arzt gehen. Die Debatte insgesamt erinnert an den Vorstoß des früheren Vorsitzenden der Jungen Union, Philipp Mißfelder. Der hatte 2003 gefragt, ob 85jährige noch auf Kosten der Solidargemeinschaft künstliche Hüftgelenke bekommen sollten. Damals hatte diese Logik à la »der stirbt eh bald« noch Empörung ausgelöst. Und jetzt?

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  • Leserbrief von Joachim Becker aus Eilenburg (23. September 2025 um 11:12 Uhr)
    Neue Hûft- und Kniegelenke in Zukunft nur noch bei finanzieller Eigenbeteiligung ? Da kann man sich nur wûnschen , dass man niemals darauf angewiesen ist . Vielen Menschen fehlt dafûr einfach das nôtige Geld . Sie mûssen sich schon dafûr entscheiden , entweder ihr weniges Guthaben fûr Medikamente oder doch lieber fûr Lebensmittel auszugeben. Wird heute ûberhaupt noch daran gedacht, dass es in dieser Gesellschaft leider auch viele arme Menschen gibt?
  • Leserbrief von Astrid Loehnert aus (ehemals) Bielefeld (22. September 2025 um 15:03 Uhr)
    Es darf auch in dem Bereich der Gesundheitsfürsorge der Mensch nicht aufgrund seiner Individualität diskriminiert und zum Produkt werden, denn das Recht auf Gesundheit ist ein völkerrechtlich garantiertes Menschenrecht. Weder das Geschlecht, noch das Alter oder die Hautfarbe dürfen das Recht eines Menschen auf das erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit in dem sozialen System des nationalen Staates durch äußere Kriterien wie das Alter, Hautfarbe oder Geschlecht, einschränken. Die Verfügbarkeit von quantitativ und qualitativ genügenden öffentlichen Gesundheitseinrichtungen mit einem diskriminierungsfreien Zugang, muss staatlich und privat, ohne rassistische, diskriminierende Hürden, in der sozialen Gemeinschaft gewährleistet sein. Das Recht auf Gesundheit ist das umzusetzende soziale Ziel einer funktionierenden Gesellschaft und darf keine Minderheitengruppen ausschließen.
  • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (22. September 2025 um 07:21 Uhr)
    Ich prognostiziere, dass dem Wettlauf in den Krieg noch ganz andere Sachen zum Opfer fallen werden, als nur die prothetische Versorgung der Älteren. Ab einer gewissen Stufe der Merzschen Eskalation werden alle verzichten müssen. Bis hin zum Verzicht auf die Fortsetzung des eigenen Lebens. Ob es reichen wird, solange auf dem Sofa sitzen zu bleiben und zu grummeln? Oder ist es nicht doch besser, möglichst viele Nachbarn und Freunde mitzunehmen, wenn es am 3. Oktober zu den Demonstrationen nach Berlin und Stuttgart geht?
  • Leserbrief von Manni Guerth aus Hamburg, Manni Guerth (21. September 2025 um 22:19 Uhr)
    In Deutschland breitet sich der bürokratische motivierte Alltagsfaschismus in Behörden und anderen Institutionen wie Krankenkassen, Rentenversicherung, Sozialämtern usw. immer weiter aus. Faschismus bedeutet für mich eine Umgangsform, die von Unmenschlichkeit geprägt ist. Im eigenen Land werden die Menschen politisch drangsaliert und bedroht. Über andere Länder, wie zum Beispiel Russland und dessen Sozialsystem wie Krankenversicherung, werden ständig Lügen und Beschimpfungen verbreitet. Dabei hat Russland ein viel besseres Krankensystem und viel weniger Bürokratie als das sogenannte »Demokratische Deutschland«. Krank sein in Russland wird im Westen als Katastrophe dargestellt, was eine Lüge ist. Im Gegenteil. Es ist ein viel besseres System als in Deutschland. Die Höhe des Krankengeldes hängt davon ab, wie lange man in dem Beruf arbeitet. Wenn man 5 Jahre gearbeitet hat, dann bekommt man 60% des Lohns, 5-8 Jahre bekommt man 80% des Lohns, über 8 Jahre bekommt man 100% des Lohns. Die Zahlung beginn ab dem 1. Krankheitstag, ohne Einschränkung. Krankheitsdauer spielt keine Rolle, ob 4 Wochen oder 5 Jahre. Ich habe hier in Hamburg gegenwärtig juristische Auseinandersetzungen mit Finanzamt, AOK Krankenversicherung und Sozialamt. Ich habe 40 Jahre lang auf dem Bau gearbeitet. Hüfte ist kaputt. Die AOK will die medizinischen Kosten, ca. 5.000.- €, die ich aus eigener Tasche bezahlt habe, nicht zahlen. Finanzamt hat meine sogenannte Corona Hilfe als Einnahme verbucht, obwohl ich sie zurückgezahlt habe. Durch die »Hilfe« wurde meine Gewerbesteuer um ein vielfaches erhöht, die ich vorher nie bezahlen mußte, wegen niedrigere Einnahmen. Die »Corona Hilfe« war für mich als Einzelunternehmen ein staatlicher Kredit mit der Absicht vom Staat, höhere Steuereinnahmen zu erlangen. Die »Corona Hilfe« war kein Hilfe. Sie war ein Trickbetrug um höhere Steuereinnahmen zu erzielen.

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