Marktdschihadisten des Tages: INSM
Von Arnold Schölzel
Kein Kapitalismus in Deutschland ohne fundamentalistische Glaubenskämpfer. Seit der Kaiserzeit schickt die besitzende Klasse hierzulande Fanatikertrupps los, die als Wächterrat das politische Personal piesacken, wenn es zu wenig fürs Umschaufeln von unten nach oben tut. Am Donnerstag feierte eine dieser lästigen Horden, genannt »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«, in Berlin ihr 25jähriges Bestehen. Festredner: Markus Söder und Kanzleramtsminister Thorsten Frei.
Unerheblich, dass am Namen nichts stimmt. Die »Initiative« hat der Industrieverband Gesamtmetall gegründet, der sie auch neben anderen satt finanziert. Zuletzt soll das Jahresbudget sieben Millionen Euro betragen haben. »Neu«: Seit das Monopolkapital herrscht, tut es viel, um das, was es abschaffte – »Wettbewerb«, »Freiheit« und »Demokratie« – zu proklamieren. Die müssen zudem ewig gegen ihre Feinde (gesetzliche Rente, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, Mindestlohn, SPD, Kommunisten, Russen usw.) verteidigt werden. Kein Zufall daher: Die INSM brachte die Phrase »Sozial ist, was Arbeit schafft« wieder in Umlauf. Die hatte der erste Wirtschaftsminister der NS-Regierung Alfred Hugenberg verbreitet. »Soziale Marktwirtschaft«: Eine Chiffre für Kapitalherrschaft ohne Widerstand. 1944 schenkte nachgewiesenermaßen ein SS-General den Begriff Ludwig Erhard, als der für den Nachkrieg »demokratische Marktwirtschaft« vorschlug.
Die INSM würdigt entsprechende Verdienste: Mitbegründer Friedrich Merz ernannte sie 2004 zum »Reformer des Jahres«. 2007 zierte das Konterfei des damaligen Berliner Wirtschaftssenators Harald Wolf (Die Linke) ganzseitige INSM-Anzeigen als Kronzeugen für »marktwirtschaftliche Reformen« wegen seiner »Unterstützung von Ausgabenkürzungen im Sozialbereich des Berliner Landeshaushaltes«. Das geht so weiter und muss gefeiert werden.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (19. September 2025 um 21:46 Uhr)Moderne Raubritter kommen heutzutage nicht mehr in Blechrüstung und Kettenhemd daher, sondern viel ´smarter´. Das nennt man bekanntlich »Zivilisation« und »Fortschritt«.
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Leserbrief von Andreas B. (19. September 2025 um 17:56 Uhr)Erst seit dem Kaiserreich mit der Bismarck'schen (A-)Sozialengesetzgebung §361? Sorry da müsst Ihr zeitlich ein wenig weiter zurück Recherchieren, wie hier bereits angeschnitten: https://www.exploring-economics.org/de/entdecken/am-wendepunkt-die-krise-des-deutschen-exportsmodells/ und zwar bis hier hin: https://www.herder.de/staatslexikon/artikel/kameralismus/ Begründer ist eigentlich Thomas Mun seine Aussenhandelthese welche nach Friedrich Engels bereits 1609 veröffentlichte. Jean-Baptiste Colbert der »den Außenhandel als wichtigste Quelle des nationalen Reichtums nannte« setze das ab 1665 als fran. Finanzminister zuerst auf staatlicher Ebene um, begründete so den Merkantilismus und schuf die Basis für die fran. Wirtschafts- und Kolonialpolitik, die sich später zum europäischen Wirtschaftsimperialismus und Kolonialismus entwickelte. Sein Erfolg beim Sanieren des Staatshaushalt veranlasste weitere eu Kaiser, Fürsten und Könige dazu solche Lehrstühle einrichten zu lassen. Das wurde so zur studierten »Mainstream Ökonomik« und fließ in die Europäischen Aufklärung »Utilitarismus« ein, woraus ab 1870 die Neoklassischen Wirtschaftstheorie hervorging. Robert Thomas Malthus argumentierte gegen die elisabethianische Armengesetzgebung, seine Postulate führten zur Armengesetzgebung 1834 der »Royal Commission«: Die Unterstützungsleistung wurde massiv eingekürzt, eine Verschärfung des »Workhouse Test« eingeführt. Das »less-eligible-Prinzip« legte fest »der niedrigste Lohn« freier Arbeit ist die »Obergrenze der Unterstützung«. Jeder der Unterstützung in Anspruch nehmen musste, hatte ins workhouse zu gehen und dort Hart zu arbeiten. Unterstützung fand nur, wer sich dort »tatsächlich als Arbeitsunfähig« erwies. Die Bestimmungen und der davon ausgehende Abschreckungseffekt diente jedoch nicht der von Malthus erzählten »Stärkung der Armen durch Besitz und Unabhängigkeit« sondern der Durchsetzung von freier low-wage Lohnarbeit sprich Dumping der Löhne. Hartz4? Ganz neue Idee! lg
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas Scharmann aus Berlin (19. September 2025 um 13:12 Uhr)Nochmals, lieber Schölzel: Du musst LAANNGSAAMAA schreiben! Enttarnungen helfen nix - ich setze auf viel Geld auf BSW. - Gestern, Du GLAUBSTES nicht, habe ich gelernt, dass in Bayern seit 1951 - einstimmiger Beschluss des Stadtrats - in Bayernfernabsonstwo - eine Straße KARL-MENGELE-STRAßE heißt. Wie wohl im alltäglichen Gebrauch? Karlstraße? Da eröffnen sich friedfertige Fantasien, oder?
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Ein Schritt vorwärts
vom 19.09.2025