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Aus: Ausgabe vom 18.09.2025, Seite 8 / Ansichten

Gerechte Krieger des Tages: Deutsche Katholiken

Von Daniel Bratanovic
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Da hat die Deutsche Presseagentur aber gut aufgepasst: »Die Sicherheitspolitik ist aus christlicher Sicht ein heikler Punkt, da die Kirche eigentlich für Frieden, Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit steht.« Eigentlich? Jetzt nicht mehr? Die angedeutete Grübelei der Nachrichtenagentur erwächst aus einer Meldung von Mittwoch, wonach sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken in einem zum »Europa der Zukunft« verfassten Positionspapier »wegen der aktuellen Bedrohung ausdrücklich zur gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union und zu einer stärkeren europäischen Säule der NATO« bekennt.

Katholische Laien, deren Verein zu 97 Prozent von den deutschen Bistümern finanziert wird, predigen also militärische Abschreckung, vulgo Aufrüstung, und merken selbst, dass sie das argumentativ irgendwie in Einklang bringen müssen mit der Friedensbotschaft, mit der ihre Kirche mehr als nur gelegentlich in Zusammenhang gebracht wird. Heraus kommt keine Übung in Dialektik, sondern eine in Paradoxie, die bisweilen klingt wie eine Mischung aus bellizistischer Ethik aus der Parteizentrale der Grünen und einem militärstrategischen Memorandum aus dem Bendlerblock.

Kostprobe: Da auf den Ami kein Verlass mehr ist, »steigt die europäische Verantwortung (…) für konventionelle und nukleare militärische Potentiale«. Offenbar ein Bekenntnis zu atomarer Bewaffnung. Zwei Sätze später dann dies: »Die Ächtung von Massenvernichtungswaffen, die zur katholischen Sozialethik und zum päpstlichen Lehramt gehört, führt zu einer Friedenspolitik, die durch Abschreckung einen Atomkrieg verhindert.« Was denn nun? Oder soll das bedeuten, dass nur »Europa« der verantwortungsvolle Umgang mit Nuklearwaffen zugetraut werden kann?

Man weiß das nicht, aber dies: Krieg und Kirche haben einander nie ausgeschlossen, vielmehr bedingt, ungefähr seit dem Jahr des Herrn 312.

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  • Leserbrief von Martin Mair aus Söchau (19. September 2025 um 09:12 Uhr)
    Interessanterweise stehen diese Positionen völlig im Widerspruch zu jenen des Vatikans. Von der angeblichen Glaubensgrundlage, der Bibel, ganz zu schweigen: Nicht nur das umfassende Friedensgebot à la Bergpredigt, sondern auch die Trennung bzw. Absenz von der weltlichen Politik wird da missachtet. Wie in der Monarchie positionieren sich diese Kirchenfunktionäre als Büttel des herrschenden Systems. Die Kirchenfunktionäre treiben nach wie vor mit staatlicher Hilfe den Kirchenbeitrag ein, was an sich auch im Widerspruch zur Bibel steht. Bigotter Heuchlerverein, aus dem mensch doch nur austreten kann (falls mensch noch dabei ist).
    Mensch sollte auch das online verfügbare umfangreiche Papier lesen, es ist derart voller Widersprüche, ein Geplappere. Gut klingende Grundsätze und Ansätze, die durchaus einer christlichen Friedensethik entsprechen könnten, werden mit unglaublich naiver »Realpolitik« und Nachplappern der Phrasen der dem Götzen Mammon dienenden Politik vermengt. In Sachen NATO im Orgnialwortlaut: »Die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik braucht gemeinsam definierte Interessen und Werte. Sie braucht auch eine stärker von Europa getragene integrierte Struktur der transatlantischen Verteidigungsallianz (NATO). Damit diese Ziele erreicht werden, braucht es so lange, wie in der GSVP das Konsensprinzip herrscht, ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten: Staaten, die es wollen, müssen in der EU mit Mehrheitsbeschlüssen operieren können.« www.zdk.de/positionen/2025-1/das-europa-der-zukunft-gestalten Damit unterstützen die Kirchenfunktionäre auch die »Koalition der Willigen«-Staatsherren, die über die anderen Staaten hinweg Kriegspolitik betreiben und fleißig mit Waffenlieferungen an die Ukraine das gegenseitige Morden und Verwüsten aufrecht erhalten, statt es endlich durch Friedensverhandlungen zu beenden. Aus dieser bigotten Kirche, die sich bei den Herrschern anbiedert, kann mensch nur noch austreten!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (18. September 2025 um 11:28 Uhr)
    Kirchen sind eben doch nicht die über allem schwebenden moralischen Anstalten, als die sie sich inszenieren. Sie sind Teil des gesellschaftlichen Überbaus, der der ökonomischen Basis Stabilität zu verleihen hat. Da ist es kein Wunder, wenn letztlich Mordwerkzeuge und Mord gesegnet werden müssen, weil die ökonomische Basis festgestellt hat, dass sich damit astronomische Summen verdienen lassen. Traurig ist nur, wie viele ehrlich Glaubende so in einen Strudel geraten, in den sie nie und nimmer hineingehören.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (17. September 2025 um 21:10 Uhr)
    Womöglich müssen die katholischen Feldgeistlichen demnächst zur letzten Ölung auf russisches Erdöl zurückgreifen!

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