Schlauer als Ursula
Von Reinhard Lauterbach
Ja, ja, Donald Trump ist »unberechenbar«. Jedenfalls, solange man felsenfest an die transatlantischen Beziehungen glaubt oder sich das einredet, weil man für sich selbst keine politische Alternative zur Bindung an die USA sieht. Weil man also selbst »berechenbar« ist und die andere Seite des Atlantiks dies ungeniert ausnutzt.
Dabei erschließt sich dem nicht transatlantisch vorformatierten Verstand ziemlich schnell, was Donald Trump mit seiner jüngsten Idee zu den Russland-Sanktionen bezweckt. Es ist eine Variante des alten Spruchs »Hannemann, geh du voran«. Trump will »nie gesehene« Sanktionen gegen Russland einführen, sobald alle EU-Staaten aufhören, russisches Öl zu kaufen – und sich damit abhängig machen von Zufuhren aus den USA selbst. Zwei seiner Minister haben die Verdrängung Russlands aus dem weltweiten Ölmarkt offen als strategisches Ziel der Trump-Administration beschrieben. Ein Energiemonopol: der Traum eines absteigenden Hegemons. Wenn die EU kuscht und Ungarn und die Slowakei auf Kurs bringt, ist Washington fein raus. Oder sie setzt das Importverbot nicht durch, dann hat Trump – dessen Volkswirtschaft vor den Sanktionen ohnehin weniger vom Russland-Handel abhängig war als die der EU – sein Argument, dem US-Kapital die russischen Rohstoffe nicht länger vorzuenthalten; noch ein Konkurrenzvorteil.
Dieselbe Logik steht hinter der Trumpschen Forderung, die EU solle sofort Strafzölle gegen Indien und China verhängen, weil die nach wie vor russisches Öl abnehmen und – im Falle Indiens – dieses Öl in verarbeiteter Form auch auf den europäischen Markt reexportieren. Folgt die EU dieser Forderung, verdirbt sie es sich mit den beiden größten Märkten in Asien und ist stärker denn je auf den von Trump bereits durch seine Zölle belasteten Handel mit den USA angewiesen. Tut sie es aber nicht, dann ist Brüssel in absehbarer Zeit am Ende seines Sanktionslateins. Das aber wäre mit dem Eingeständnis verbunden, dass es mit der Großmachtrolle des vereinten Europas nicht weit her ist.
Die Willfährigkeit, mit der Ursula von der Leyen sich von Trump einen Zolldeal zu Lasten Europas hat aufdrücken lassen, zahlt sich nicht aus. Es ist wie mit den regelmäßigen Warnungen der Polizei davor, Erpressern beim ersten Mal irgend etwas zu zahlen, um Ruhe vor ihnen zu haben. Sie kommen nämlich wieder und stellen neue Forderungen. Genau wie jetzt Trump. Man kann dahingestellt sein lassen, ob es sich die USA leisten könnten, ihre Beziehungen zu Indien und China gleichzeitig zu ruinieren. Vielleicht auch nicht (mehr) wirklich. Aber EU-Europa muss ja nicht unbedingt an einer Konfrontation festhalten, die seine Kräfte übersteigt und an der Trump erkennbar das Interesse verliert. Er hat seine Schäfchen im Trockenen, die EU steht vor den Trümmern ihres Ehrgeizes und will es sich nicht eingestehen.
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